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„Ein Brief reicht nicht“

Stadt will per Post neue Staatsbürger gewinnen

Hüseyin Yilmaz

■ 61, ist seit 2009 Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hamburg und Umgebung. Der Gewerkschafter ist türkischer Staatsbürger. Foto: dpa

taz: Herr Yilmaz, heute erhalten die ersten Empfänger Briefe, in denen der Erste Bürgermeister Olaf Scholz für die Einbürgerung wirbt.

Hüseyin Yilmaz: Ich begrüße diese Briefe sehr. Die Türkische Gemeinde Hamburg weist aber schon lange darauf hin, dass eine Willkommens-Kultur entwickelt werden muss. Dazu gehört, dass die Einbürgerung erleichtert wird. Der Brief von Herrn Scholz reicht aber dazu noch nicht aus.

Was müsste noch passieren?

Ich bin für die Erleichterung der Einbürgerung unter Hinzunahme von Mehrstaatlichkeit. Man muss diese Entscheidung den Bürgern überlassen, die den Antrag stellen. Wenn jemand seine Staatsbürgerschaft nicht abgeben will, dann sollte das auch respektiert werden.

Warum verschickt der Bürgermeister diese Briefe überhaupt?

Ich glaube, dass er die politischen Rechte der Bürger stärken will, die schon jahrzehntelang in Hamburg leben. Fast eine halbe Millionen Menschen haben in Hamburg einen Migrationshintergrund, die Hälfte davon hat fremde Pässe. Viele davon könnten die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Scholz will dieses Potenzial nutzen.

Welche Vorteile hat die deutsche Staatsbürgerschaft?

Man übernimmt Verantwortung für diese Stadt und das Land. Mit der Staatsbürgerschaft ist es möglich, sich politisch zu beteiligen. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass wir jetzt viele Abgeordnete mit türkischem Hintergrund haben. Ich hoffe, dass die Wahlbeteiligungen noch höher werden und dass die Migranten sich politisch noch mehr engagieren. Und damit auch die politische Bildung vorantreiben.  INTERVIEW: JBL

Heute bekommen die ersten 4.000 potenziellen Deutschen Post. Insgesamt werden 137.000 Briefe verschickt

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