: „Das Volk“ will aufstehen
Am Donnerstag informieren Aktive über eine für den 8. Mai geplante nationalistische Demo – sie warnen davor, Verschwörungsideologen nicht ernst zu nehmen
■ Donnerstag, 19. März „Nationale Revolution am 8. Mai?“ Über Verschwörungsideologien und die Hintergründe der geplanten nationalistischen Demo. Info- und Diskussionsveranstaltung von „Andere Zustände ermöglichen“. 19 Uhr, Projektraum H48, Hermannstraße 48 ■ Freitag, 20. März
Nationalismus und Xenophobie: „Wir sind das Volk!“: Pegida tritt ab, die nationale Gesinnung bleibt. Roter Freitag, 18.30 Uhr, Baiz, Schönhauser Allee 26a
Siebzig Jahre nach dem Ende des faschistischen Regimes freuen sich die einen auf eine schöne Party unter dem Motto „Deutschland kaputt. Hurra!“. Ganz andere kündigten für den Tag an, die Regierung stürzen zu wollen. Oder die Deutschland GmbH. Aber so richtig klar ist es nicht. Eine Querfront aus Verschwörungstheoretiker*innen, Reichsbürger*innen, Kulturalist*innen, Homophoben (die Aufzählung ließe sich noch deutlich weiterführen) bereitet den Aufmarsch auf dem Platz der Republik vor. Was ihnen ganz klar ist – wer sie sind: Das Volk. „Ein Volk steht auf.“ Sie sind außerdem mal wieder „gegen die Islamisierung und Amerikanisierung des Abendlandes“ (Pegida/Pegada), für EU- und Nato-Austritt, gegen „Zinsknechtschaft“, für die Senkung der GEZ-Gebühren. Anschlussfähigkeit, wie man sie kennt.
Allein die unter „Verschwörungstheoretiker“ gefassten Menschen vertreten dabei bekanntermaßen die widersprüchlichsten Ansichten. Naheliegend, so der taz-eigene Verschwörungsexperte Mathias Bröckers, es handle sich bei den Theorien doch um Komplexitätsreduktoren, die in verschiedenste Richtungen weisen können. „Die größte Verschwörungstheorie ist die, dass hinter allem ein allmächtiger Strippenzieher steckt – Gott, der Verschwörer Nummer eins.“
Der Physiker Dr. Holm Hümmler von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) behandelt Verschwörungstheorien (wie die der „Chemtrails“, die natürlich auch Platz im Demo-Aufruf finden) in Vorträgen. Doch es kommen nicht die Anhänger dieser Theorien, sonder eher Verunsicherte. Hümmler versucht, ihnen „eine Informationsbasis zu bieten und Skeptikern, die sich im Thema nicht auskennen, Argumente und Quellen an die Hand zu geben, wenn sie unweigerlich mit solchen Behauptungen konfrontiert werden.“
Es käme in einschlägigen Foren bisweilen zu wüsten Spekulationen über seine Motivation, diese Aufklärungsarbeit zu leisten, so Hümmler. Längst taucht er in einer Liste der „Helfershelfer“ auf.“ Besagte Liste steht online und führt auch taz-Chefredakteurin Ines Pohl und taz-Geschäftsführer Kalle Ruch auf – nicht aber taz-Geschäftsführer Andreas Bull. Da hat jemand das Impressum nicht sorgfältig abgeschrieben.
„Der Feind ist in der Regel ein diffuses Konglomerat aus westlicher Demokratie, Marktwirtschaft, Amerika, den Juden, denen ‚da oben‘ – und eben gelegentlich auch Außerirdischen, die uns eigentlich beherrschen“, so Holm Hümmler.
Dass die brüllende Inkohärenz der Szene dazu einlädt, sie nicht ernst zu nehmen und deshalb wegzusehen, halten Aktive von „Andere Zustände ermöglichen“ für falsch: „Unsere Einschätzung ist, dass die rechten Verschwörungsleute zwar noch nicht durch sonderlich viele Gewalttaten bekanntgeworden sind, dies sich aber ändern kann. Es ist eine Radikalisierung und Politisierung eines gewissen Milieus feststellbar.“ Da der linken Politik in Berlin bislang der Zugang zu den diversen theoretischen und praktischen Zusammenhängen von Reaktionären, Nazis, Friedensbewegten und Verschwörungstheoretiker*innen fehle, muss Aufklärung her. Die Infoveranstaltung am Donnerstag bildet den Auftakt der Gegenmobilisierung.
Dass die nötig ist, steht außer Frage: Denn „die Gefahr der 8.-Mai-Demo ist natürlich nicht, dass der Reichstag gestürmt wird, sondern Angriffe auf Gegendemonstrant*innen oder People of Colour. Außerdem könnte die Kundgebung ein Anlaufpunkt für Pegida-Leute, Nazis, Hooligans und Verschwörungsleute sein.“
Auch „Friedensdemo Watch“ und „Pegada-Watch“ sehen genauer hin: Im Netz, häufig mittels Screenshots von Facebook-Posts und -Kommentaren, zeigen und kontextualisieren sie das Treiben der „Wahnwichtel“. Das verbindende Element, so die Administratoren der Seiten, sei die feindliche Einstellung gegenüber der Moderne innerhalb dieser neuen Protestbewegungen. In diesem Zusammenhang verweisen die Admins auch darauf, dass „Modernitätsfeindlichkeit und Antisemitismus seit dem Zeitalter des modernen Antisemitismus zwingend miteinander einhergehen. Daraus ergebe sich auch die antiamerikanische Haltung als Konsequenz aus der Verbindung von Modernenfeindlichkeit und Antisemitismus. Die permanente Volksrhetorik spiegle die Sehnsucht nach einer konfliktfreien Gesellschaft ohne Widersprüche. Ein Rückgriff auf die Idee der Volksgemeinschaft, die aber nicht rein ethnisch definiert sei, sondern elitenkritisch. „Wir gegen die da oben.“ DONATA KINDESPERK