piwik no script img

Archiv-Artikel

„Man spricht nicht darüber“

DOKUFILM Eine Filmemacherin und zwei Frauen aus Ruanda sprechen über Leben nach dem Genozid

Von JPB
Leona Goldstein

■ 38, Dokufilmerin und Fotojournalistin. Infos zum Film unter: www.godisnotworkingonsunday.org

taz: Frau Goldstein, wie kamen Sie darauf, einen Film über Frauen in Ruanda zu machen?

Leona Goldstein: Es fing damit an, dass ich hörte, dass im ruandischen Parlament über 64 Prozent Frauen sitzen. Als ich mich auf Recherche vor Ort begab, wurde mir aber schnell klar, dass es mir weniger um die PolitikerInnen als um die Basis – also um zivilgesellschaftliche Initiativen geht.

Wie die beiden ProtagonistInnen Ihres Films, Godelieve Mukasarasi und Florida Mukarubuga?

Ja. Godelieve vertritt Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Sie hilft ihnen, sich gegenseitig im Kollektiv aufzufangen. Es sind Frauen mit Kindern von Vergewaltigungen während des dreimonatigen Genozids im Jahr 1994. Godelieve ist mit dem Thema ziemlich laut geworden, hat auch vor dem Internationalen Tribunal ausgesagt und es geschafft, dass die UN Vergewaltigungen als genozidäre Kriegswaffe anerkannt hat.

Um was geht es dabei?

Vergewaltigungen wurden zunächst als normaler Kollateralschaden des Krieges gesehen. Aber in dem Konflikt zwischen Hutu und Tutsi war es ein strategisches Mittel, mindestens 250.000 Frauen wurden vergewaltigt. Da wurden HIV-infizierte Männer aus Krankenhäusern geholt, damit sie Frauen vergewaltigen und bewusst ansteckten. Diese wurden dann am Leben gelassen, um noch die nächste Generation zu infizieren und auszurotten. Ein gegenderter Genozid. Nach den Bemühungen auch von Godelieve gab es auch in Ruanda einen Diskurswechsel, Vergewaltigungen werden stärker bestraft.

Und Florida Mukarubuga?

Sie hat ein kleines Umweltschutz-Projekt, bei dem Müll recycelt wird und daraus Brennstoff entsteht. Das generiert den Frauen ein kleines Einkommen, womit sie sich von ihren Männern emanzipieren. Frauen von Tätern arbeiten mit Überlebenden zusammen – es ist auch ein Versöhnungsprojekt. Aber im ruandischen Erinnerungsdiskurs ist das schwierig.

Inwiefern?

Meiner Meinung nach instrumentalisiert der Staat die Erinnerungskultur: Es gibt ein klares Narrativ, dass alle Hutu kategorisch Täter und Tutsi ausschließlich Überlebende seien. Aber das Schema haut nicht immer hin. Ruanda ist dabei zunehmend repressiv. Die Termini „Hutu“ und „Tutsi“ auszusprechen, ist verboten. Dabei gibt es noch Morde. Aber man spricht nicht darüber.  INTERVIEW: JPB

Filmvorführung & Diskussion: 19.30 Uhr, DGB-Haus Bremen; die Filmemacherin und die ProtagonistInnen sind anwesend