Rückfahrt im Winkelkanu

NDW-JUBILÄUM Vor 30 Jahren haben Palais Schaumburg mit ihrem Debüt einen erstaunlich eigenständigen Beitrag zur NDW-Geschichte geleistet. Nun gibt es ein Jubiläumskonzert

Dass ein Major das Debüt veröffentlichte, ist heute schwer vorstellbar

VON ROBERT MATTHIES

Fiepende und klirrende Elektronik, ein stoisch vor sich hinstolpernder und doch irgendwie funky Minimal-Bass, ein ebenso nonchalant wie präzise marschierendes Schlagzeug, ab und an jault ein Saxophon dazwischen, dazu skandiert eine markant schrill schlingernde Stimme im besten Sinne dadaistische Texte: „Grünes Winkelkanu, ich dreh dir den Hals um, nimm die Flossen von meiner Frau.“

Dass die Hamburger Formation Palais Schaumburg 1981 nach ein paar Singles auf Alfred Hilsbergs ZickZack-Label ihr Debüt beim Major Phonogram veröffentlichen konnte, erscheint heute schwer vorstellbar. Viel zu sperrig klingt, was Holger Hiller, Thomas Fehlmann, Timo Blunck und Ralf Hertwig da, produziert von David Cunningham von der kongenialen britischen Avantgarde-Postpunk-Kombo The Flying Lizards, auf Vinyl pressen ließen: eine bahnbrechende, überraschend eigenständige und irgendwie geniale Musik, die sich weder einfach am britische New Wave und Postpunk orientierte, auch kein Krautrock mehr war und schon gar nicht der kurz darauf so erfolgreichen Schlagerversuchung anderer NDW-Projekte erlegen war.

Aber eben auch absolut einmalig. Denn so richtig gerade hing der Haussegen im Palais Schaumburg damals nicht: Nach der ersten Platte verließ der unberechenbare und unverzichtbare Herzmuskel Hiller die Band schon wieder für eine Solokarriere, 1982 stieß an seiner Statt für das funkigere „Lupa“ Walter Thielsch als Sänger dazu, zwei Jahre darauf probierte die zum Trio geschrumpfte Band mit „Parlez-Vous Schaumburg“ noch einmal Pop, war mit dem Ergebnis unzufrieden und machte Schluss.

Heute sind Palais Schaumburg abgesehen von vorübergehenden Wiederbelebungen durch junge Ungestüme wie 1000 Robota fast vergessen und seine Bewohner haben sich längst allesamt als Elektronikmusik-Vorreiter oder Drehbuchautor einen Namen gemacht, der auch ohne Verweis auf die bahnbrechende gemeinsame Platte auskommt.

Umso erfreulicher, dass sich die einstigen Protagonisten zur Feier des 30-jährigen Jubiläums wieder zusammenfinden. Am 30. Dezember spielen Palais Schaumburg in der „amtlichen Besetzung“ ein Konzert im Berliner HAU2. Vorher kann man die wiederbelebte NDW-Legende aber auch hier erleben: Morgen und am Samstag sind sie für zwei „Warm-Up-Konzerte“ im Pudel zu Gast. Dort dürfte es entsprechend schnell voll werden. Aber wer keinen Platz mehr in den engen Räumen ergattern kann, kann zumindest auf das nächste Jahr hoffen. Nicht näher beschriebene „weitere Aktivitäten“ sind versprochen.

■ Fr, 16. 12. + Sa, 17. 12., 20 Uhr, Golden Pudel Club, Am St. Pauli Fischmarkt 27