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Archiv-Artikel

Journalistin unter Terrorverdacht

Das BKA nimmt eine Korrespondentin der „Jungen Welt“ fest, die für Lesungen anreiste

FREIBURG taz ■ Eigentlich kam Heike Schrader, die Athener Korrespontin der linken Tageszeitung Junge Welt, für eine Lesereise nach Deutschland. Doch auf dem Flughafen Köln/Bonn warteten am Montagabend Beamte des Bundeskriminalamtes auf sie. Die 42-Jährige wurde verhaftet, weil sie von 1996 bis 1998 Mitglied in einer terroristischen Vereinigung gewesen sein soll.

Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat sie jedoch am Dienstagmorgen gegen Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Schrader soll Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen sein, die sich, so die Konstruktion der Bundesanwaltschaft, in der revolutionären türkischen Organisation DHKP-C gebildet hatte, einer militanten marxistisch-leninistischen Vereinigung. Die Journalistin habe in der deutschen DHKP-C-Führung gewirkt, so der Verdacht. Diese Gruppe soll vor allem Gewalttaten gegen Abweichler angeordnet haben. Schrader wird vorgeworfen, mit anderen die deutsche Öffentlichkeitsarbeit der DHKP-C betreut zu haben. Dabei habe sie an Treffen teilgenommen, bei denen Tötungsdelikte und Brandstiftungen geplant wurden. Schrader will sich zu den Vorwürfen nicht äußern, bis sie die Akten eingesehen hat.

Die Journalistin wurde durch die Verhaftung überrascht. Sie lebt seit Jahren in Athen und wusste nicht, dass bereits seit 2001 in Deutschland ein Haftbefehl gegen sie besteht. Seit 2005 ist sie sogar international zur Verhaftung ausgeschrieben. Doch selbst bei zahlreichen Reisen in die Bundesrepublik wurde Schrader nie behelligt – obwohl sie an öffentlichen Veranstaltungen teilnahm. Warum die Journalistin dieses Mal verhaftet wurde, konnte die Bundesanwaltschaft auf Anfrage nicht erklären. Für Schrader ist der Fall klar: „Die wollten eine Diskussion über Folter in der EU verhindern.“ Die Journalistin will auf ihrer kleinen Lesereise nämlich das Buch „Guantánamo auf Griechisch“ vorstellen. Geschrieben hat es der als Terrorist verurteilte griechische Ikonenmaler Savvas Xiros. Er berichtet, wie er unter angeblicher Folter seine Genossen verriet. Schrader hat das Buch übersetzt. Die Bundesanwaltschaft findet die Vorstellung jedoch „völlig abwegig“, die Verhaftung habe etwas mit Xiros’ Vorwürfen zu tun. Die Journalistin muss nun in Deutschland warten, ob die Bundesanwaltschaft Anklage erhebt. Sie kann also nicht an ihren Arbeitsplatz nach Athen zurück, wo auch ihr Ehemann lebt. CHRISTIAN RATH