: Der Zahnarzt im Wohnmobil
ALTERNATIVEN In dünn besiedelten Gegenden gibt es oft zu wenige Ärzte und Krankenhäuser. Vier Möglichkeiten, dem Notstand zu begegnen
VON STEFAN SIMON
1. Der Shuttle-Bus
Im brandenburgischen Luckenwalde drohten Teilen der Klinik die Schließung. Zu wenige Ärzte wollten in der Kleinstadt 60 Kilometer südlich von Berlin leben. Deshalb kommt ihnen das Krankenhaus entgegen. Zumindest ein Stück des Weges. Mit einem neunsitzigen Bus werden Mediziner aus Potsdam und Berlin jeden Morgen um sieben Uhr vom Bahnhof Luckenwalde abgeholt. Aus dreißig Minuten Fußweg werden drei Minuten Fahrzeit. Damit mache es kaum noch einen Unterschied, ob die ÄrztInnen zu einem Krankenhaus in Berlin oder nach Luckenwalde fahren, sagt Verwaltungsleiter Eric Ukrow.
Vor vier Jahren hatte die Verwaltung die Idee mit dem Shuttle-Service. Sie nützt nicht nur dem Krankenhaus, sondern bereichert auch das Privatleben der Mitfahrerinnen. Ein Neurologe aus Berlin ist mit Kollegen einen Marathon gelaufen, einer Lokalzeitung erzählte er, dass sich auch schon Liebespaare im Bus gefunden hätten. Die Geburtsstation war, anders als in Bad Belzig, in Luckenwalde übrigens nie in Gefahr. Dazu kämen zu viele Menschen aus Berlin, die hier ihre Kinder zur Welt brächten, sagt Verwaltungsleiter Ukrow, die Stadt sei per Autobahn und Bundesstraße gut zu erreichen.
2. Die Gemeinschaftspraxis
Baiersbronn im Schwarzwald hat ein Altersproblem. Ein Gros der praktizierenden Ärzte ist über sechzig Jahre alt, Nachfolger fehlten, zahlreiche Praxen wären in naher Zukunft dichtgemacht worden.
Ein privater Investor baute ein Gesundheitszentrum, die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg finanzierte das mit. Damit Mediziner nach Baiersbronn kommen, wurde für sie die Möglichkeit geschaffen, in der ambulanten Versorgung als Weiterbildungsassistent zu arbeiten und später als angestellter Arzt in Voll- oder Teilzeit. Außerdem können Ärzte als Partner in die Praxisgemeinschaft aufgenommen werden. Sie müssen also keinen Kredit für eine eigene Praxis aufnehmen. Dabei haben sie die Option eine Einzelpraxis zu leiten oder in einer Gemeinschaftspraxis zu arbeiten. Seit Oktober 2014 haben zwei Ärzte in Weiterbildung ihre Arbeit aufgenommen.
3. Das Wohnmobil
Dieses Krankenhaus sieht aus wie ein Wohnmobil. Seit dem Frühjahr 2011 fährt die „Mallu Klinik“ durch Südkarelien, einer finnische Region an der Grenze zu Russland. 133.000 Menschen leben hier, für die meisten ist das nächste Gesundheitszentrum rund 200 Kilometer entfernt. Neben Beratungen, Gesundheitschecks, Blutabnahmen und Impfungen bietet das fahrbare Krankenhaus seit 2013 auch Zahnbehandlung an.
In der „Mallu Klinik“ arbeiten studierte Krankenschwestern, einige mit zusätzlichen Qualifikationen, etwa einer physiotherapeutischen Ausbildung. Weil die Mobilklinik gut angenommen wird, diskutieren die Finnen darüber, das Modell in anderen Regionen zu übernehmen.
4. Der Medizinzug
In Russlands Osten schwindet die Bevölkerung besonders stark. 1989 sollen in der Region noch 8 Millionen Menschen gelebt haben. 2002 waren es nur noch 6,7 Millionen. Außerdem gibt es im asiatischen Teil des Landes selbst in großen Städten oft nur schlecht ausgerüstete Krankenhäuser. Damit in solchen Gegenden die Menschen medizinisch versorgt werden können, wurden über die nationalen Gesundheitsprogramme medizinische Sonderzüge finanziert.
Insgesamt fünf dieser Züge gibt es, unter anderem den „Chirurg Nikolai Pirogow“, benannt nach einem Chirurgen und Anatomen. 2005 wurde er in Betrieb genommen und fährt seitdem im Norden und Osten Russlands und in Sibirien. Die acht Waggons sind mit medizinischer Technik ausgestattet, zahlreiche Apparate in den Zügen kommen aus Deutschland und Japan. Zusätzlich können per Satellitenanlage Mediziner kontaktiert werden, falls die Kompetenz der im Zug mitfahrenden Ärzte nicht ausreichen sollte.
Im „Chirug Nikolai Pirogow“ arbeiten Endokrinologen, Chirurgen, Frauenärzte, Augenärzte, Neurologen und Kardiologen. Im Zug können ein EKG genauso wie Laboruntersuchungen von Urin und Blut gemacht werden.