: Begeisterung, die nicht aus Pappe ist
CHAMPIONS LEAGUE Beim Final Four demonstrieren die beiden polnischen Klubs und insbesondere ihre zahlreichen Anhänger, dass man sich auch ohne Animationsprogramme für Volleyball begeistern kann. Die Berlin Volleys werden Dritter
JOCHEN SCHÖPS, VOLLEYBALL-LEGIONÄR
AUS BERLIN JOHANNES KOPP
So ein internationales Turnier hat immer auch einen gewissen Messecharakter. Es ist eine Art Branchenshow. Die Besucher staunen über vermeintlich Ungewöhnliches, weil sie es aus ihrer Region nicht kennen. In Berlin, wo am Wochenende erstmals auf deutschem Boden das Champions League Final Four der Volleyballer ausgerichtet wurde, staunte man in der Max-Schmeling-Halle vor allem über die gut 2.000 polnischen Fans. Sie feuerten ihre Teams aus Rzeszów und Belchatów am Samstagabend im zweiten Halbfinale mit einer Besessenheit an, wie man sie hierzulande nur von Ultravereinigungen in Fußball- oder Eishockeystadien gewohnt ist.
Jochen Schöps, der Kapitän des deutschen Nationalteams, der seit 2012 für Asseco Resovia Rzeszów spielt, musste nach dem 3:0-Sieg (25:23, 25:23, 25:22) im polnischen Halbfinalduell gegen Skra Belchatów insbesondere das Geschehen auf den Rängen erklären. „Sie kreieren von ganz alleine eine schöne Atmosphäre.“
Eigene Sprechgesänge und Choreografien – so etwas kennt man im deutschen Volleyball eher nicht. In Berlin, wo die Volleys zuletzt drei Meistertitel in Folge gewinnen konnten, wird die gute Stimmung inszeniert. So war das auch beim ersten Halbfinale zwischen den Berlin Volleys und dem russischen Vertreter Zenit Kasan, das die Gastgeber mit 1:3 verloren (24:26, 25:21, 22:25, 15:15), und am Sonntag beim Spiel um Platz drei gegen Belchatów, wo das Team von Mark Lebedew mit 3:2 ( (25:21, 19:25, 25:20, 26:28, 23:21) knapp die Oberhand behielt. Der Hallensprecher leitete die 9.300 Zuschauer an und orchestrierte die Euphorie. Eingeübte Rituale. „Jetzt haltet alle eure Klatschpappen nach links und dann nach rechts und wieder nach links.“ Oder er forderte: „So, und jetzt schreit ihr, so laut ihr könnt.“ Ein Mitmachanimationsprogramm, mit dem Manager Kaweh Niromand und seine Mitarbeiter von den Berlin Volleys dem deutschen Volleyball in den letzten Jahren immer wieder neue Besucherrekorde beschert haben. Viel Anerkennung haben sie dafür landesweit erhalten. „Hauptsache, Unterstützung! Beides ist gut“, urteilte Schöps salomonisch.
Wäre es nur um die polnischen Anhänger gegangen, hätte man sich in der Schmelinghalle das teure Rahmenprogramm mit Feuerwerk und Tanzeinlagen sparen können. Sie wären so oder so angereist. „Rzeszów und Belchatów – das ist vergleichbar mit dem Ruhrpottderby Schalke – Dortmund“, erklärte Schöps. Insbesondere für die Fans sei das eine enorm wichtige und emotionale Partie.
Lange Zeit dominierte das gelb gekleidete Team aus Belchatów die polnische Liga, gewann zwischen 2005 und 2011 alle Meisterschaften. Aber mittlerweile hat die Mannschaft von Rzeszów aufgeschlossen, holte die nationalen Titel 2012 und 2013. Beim Final Four war Rzesów hingegen zum ersten Mal, und somit waren – ebenfalls eine Premiere – erstmals zwei polnische Teams unter den besten Mannschaften in Europa. Nach dem WM-Titelgewinn vergangenes Jahr im eigenen Land befindet sich der polnische Volleyball weiter im Aufwind. Schöps sagt: „Das ist einfach ein guter Mix in Polen. Die Hallen sind voll, die Sponsoren und das Fernsehen sind präsent.“ Im Vergleich zur deutschen Bundesliga verdienen die Spieler etwa das Doppelte. Sogar der Staat hilft mit Finanzspritzen aus. Vom polnischen Ministerium für Sport erhält der Volleyballverband jährlich 7,5 Millionen Euro. Laut Informationen der FAZ mehr als jeder andere Sportverband.
Am Samstagabend standen sich mit den Teams aus Belchatów und Rzeszów neun Weltmeister gegenüber. Bei so viel geballter Klasse waren die Unterschiede erwartungsgemäß marginal, auch wenn Rzeszów alle drei Sätze gewann. „In den entscheidenden Momenten haben wir vielleicht ein, zwei Fehler weniger gemacht und etwas besser verteidigt“, analysierte Schöps die Feinheiten der Partie. In der Anfangsphase habe man schlecht gespielt, sich dann aber als Team gut stabilisiert. Möglicherweise lag das auch daran, dass die aus dem gut 760 Kilometer entfernt liegenden Rzeszów angereisten Schlachtenbummler ebenfalls das Duell auf den Rängen gegen die Erzrivalen für sich entscheiden konnten.
Der deutsche Nationalspieler Ferdinand Tille, der auf der Liberoposition von Skra Belchatów eigentlich solide Arbeit verrichtete, musste an diesem Wochenende gar gegen die schwächer eingeschätzten Berlin Volleys eine weitere Niederlage hinnehmen. Das Finale zwischen Zenit Kazan und Asseco Resovia Rzeszów war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet.