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Hafenplaner sieht Korruption

Der einstige Chefplaner des Wilhelmhavener Tiefwasserhafens wirft Niedersachsen und Bremen vor, bei der Vergabe des 480 Millionen Euro-Bauloses das Vergaberecht ausgehebelt zu haben

Tiefwasserhafen in Zahlen

Ende 2010 sollen in Wilhelmshaven die ersten Containerriesen gelöscht werden. So sagen es die politischen Optimisten. Doch bislang behindern Eilanträge von Naturschützern den ersten Rammschlag für das „Jahrhundertprojekt“ am Jadebusen. Experten rechnen zudem damit, dass die Baufirma Bunte wegen Stahlmangels nicht mit dem Bau beginnen kann. Die ersten Bagger für den Jade-Weser-Port dürften nicht vor Herbst 2008 rollen. Der Tiefwasserhafen soll 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen. An einer Terminallänge von 1.725 Metern mit 16 Containerbrücken sollen jährlich etwa 2,7 Millionen Standardcontainer umgeschlagen werden. Die Infrastrukturkosten tragen Niedersachsen (510 Millionen Euro) und Bremen (90 Millionen Euro). Der künftige Hafenbetreiber, die Eurogate-Gruppe (Hamburg/Bremen) wird rund 350 Millionen Euro in den Jade-Weser-Port investieren. TAZ

VON KAI SCHÖNEBERG

Der einstige Chefplaner des Tiefwasserhafens Wolf-Dietmar Starke hat Bremen und Niedersachsen vorgeworfen, das Vergaberecht ausgehebelt zu haben. Bei der Vergabe des 480 Millionen Euro schweren Bauloses an den Essener Baukonzern Hochtief im Frühjahr sei „nationales und europäisches Vergaberecht gebrochen“ worden, sagte Starke am Montag bei seiner Zeugenvernehmung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Tiefwasserhafen in Hannover.

Obgleich er Wirtschafts-Staatssekretär Joachim Werren in einem Telefonat auf einen drohenden „Rechtsbruch“ und „die Gefahr der Korruption“ hingewiesen habe, habe es keine Reaktion der Landesregierung gegeben, klagte Starke. Wenn die EU-Kommission davon erfahre, würden die bislang zugesagte 50 Millionen Euro Zuschüsse aus Brüssel „verfallen“. Der eine Milliarde Euro teure Tiefwasserhafen, dessen genauer Baubeginn immer noch aussteht, stehe derzeit „vor einem Scherbenhaufen“, betonte Starke.

Neun Monate hatte Hafenbauingenieur Starke auf den Tag der Zeugenaussage gewartet. Doch bislang hinderte ihn ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht, in dem es um die fristlose Kündigung von seinem Posten bei der Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft (JWP) geht. Anfang April dieses Jahres war Starke wegen angeblich zu großer Nähe zur Bietergemeinschaft um die Papenburger Baufirma Bunte gefeuert worden. Bunte hatte erst im September nach einem Gerichtsverfahren den Zuschlag für den Bau des Superhafens bekommen, das Angebot von Hochtief war wegen formeller Mängel ausgeschlossen worden.

„Herr Starke, die VOB ist zur Zeit außer Kraft gesetzt“, soll ihm der Leiter des Hafenreferats im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Joachim Erdmann, im Februar gesagt haben. „Das ist natürlich starker Tobak“, erklärte Starke. Die VOB, das ist die Verdingungsordnung für Bauleistungen, die Bietern eine faire Behandlung ihrer Angebote gewähren soll. Gleichberechtigung der Bieter hat es aber offenbar auf Druck der Bremer Partner beim gemeinsam mit Niedersachsen getragenen Tiefwasserhafenprojekt nicht gegeben. Starke belastete vor allem Mitarbeiter des Bremer Geschäftsführers der JWP, Jürgen Holtermann, der auch die Bremer Hafengesellschaft Bremenports leitet. Holtermann hatte tatsächlich Hochtief bevorzugt, wie er bereits im Ausschuss aussagte, allerdings aus formalen Gründen. Dazu kommt, dass Hochtief bereits in Bremerhaven Containerterminals gebaut hat.

„Zu unserer Überraschung“, erzählte Starke, habe sich Anfang des Jahres das Blatt bei der Vergabe des Bauauftrags zugunsten des Essener Baukonzerns Hochtief gewendet. Hatte sich das die Vergabe bei der JWP führende Team um Starke bislang aus technischen und wirtschaftlichen Gründen für eine rund 32 Millionen Euro günstigere Bauversion ausgesprochen, hätten die Bremer plötzlich gegen Bunte Front gemacht. Einen Ausschluss Hochtiefs aus dem Verfahren, wie ihn Starke favorisiert habe, wollte ihm der niedersächsische Geschäftsführer der JWP, Helmut Werner, ausreden: Wegen einer erwarteten Klage von Hochtief fürchtete Werner „Zeitverzug im Hinblick auf die Wahl 2008“. Damit der Vorschlag von Hochtief gewinne, seien die Vergabeakten frisiert worden. „Wer hier regiert hat, ist die Bremer Gruppe“, betonte Starke.

Seine Bedenken habe die Politik ignoriert, sagte der Hafenbauer. Vor dem entscheidenden Gespräch über die endgültige Vergabe des Auftrags Mitte März habe ihn Erdmann in einem Gespräch „einnorden“ wollen, erzählte Starke im Ausschuss: Erdmann habe gesagt, „dass der Ministerpräsident jetzt auch auf Kurs Hochtief sei“.

Bei der Auftragsvergabe sei es zugegangen „wie in einer Bananenrepublik“, sagte SPD-Obmann Gerd Will nach der Vernehmung. „Der Zeuge hat deutlich gemacht, dass die niedersächsische Landesregierung 1:1 in das Umlenken beim Vergabeverfahren involviert war“, sagte der Grüne Enno Hagenah. Selbst Hermann Dinkla von der CDU sah nun „ein Stückweit ein Problem“, dass Bremen „starken Einfluss“ bei der Auftragsvergabe genommen hat. Im kommenden Jahr werden Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) und sein Staatssekretär Werren erneut vor dem Ausschuss vernommen werden.

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