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Archiv-Artikel

Verwinkelte Wege

Die Sammlung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe ist vielfältig und das Haus unendlich schwer zu profilieren. Die jüngst berufene neue Direktorin will es trotzdem noch einmal versuchen. Sie setzt dabei vor allem auf Exponate der Moderne

Es ist ein Gemischtwarenladen, und schwer zu jonglieren war er schon immer: Seit 1877 residiert das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in einer ehemaligen Schule, und der Name illustriert das strukturelle Problem: Von der Antike über den Barock bis zum Jugendstil reicht der Bestand, es gibt Möbel, Fotos und Instrumente. Auch der jetzt scheidende Direktor Wilhelm Hornbostel ist darüber nicht glücklich. Denn das auf der Sammelleidenschaft des Gründungsdirektors Justus Brinckmann basierende Museum ist schwer zu profilieren und aus gutem Grund recht solitär. In anderen Städten hat man sich wohlweislich konzentriert und – wie in Köln – ein „Museum für angewandte Kunst“ geschaffen.

Doch gerade das Konglomerat aus Kunst und Handwerk reizt die im Juni 2008 antretende neue Direktorin, die vor wenigen Wochen gekürt wurde. „Ich finde nicht, dass das ein Gemischtwarenladen ist“, sagt Sabine Schulze, die derzeit noch die Sammlung des 19. und 20. Jahrhunderts am Frankfurter Städel leitet. „Ich freue mich vielmehr, dass das Haus so gut angenommen wird und die Hamburger diese Vielfalt schätzen.“

Da hat sie natürlich recht, repräsentiert das Haus doch par excellence den hanseatischen Bürgersinn. Der wirkt sich auch finanziell aus und das ist wesentlich dem seit 20 Jahren amtierenden Direktor Hornbostel anzurechnen. Er findet und pflegt Mäzene mit ausgesuchtem Geschick und bekam so nicht nur Exponate, sondern auch schon ganze Gebäudeteile geschenkt.

Ob die Neue – eine zupackende, geradlinige Hessin –, da mithalten kann, weiß niemand, und sie macht sich auch erst mal klein: „Ich wusste nicht, ob ich mir zutrauen sollte, solch ein Haus zu führen. Inzwischen freue ich mich aber, hier zu sein“, sagt Schulze, die von einer Findungskommission aufgespürt wurde. „Faszinierend“ findet sie die familiäre Atmosphäre des Hauses, das derzeit saniert wird: Jeder zweite Balken muss ersetzt werden, auch das Dach ist undicht. Zudem ist dies der x-te Versuch, das Ex-Schulgebäude mit seinen vier Treppenhäusern übersichtlicher zu machen. Denn letztlich spiegelt das leicht verstaubte Haus, in dem man sich ständig verläuft, die Struktur der schwach profilierten Sammlung.

Exakt hier will Schulze ansetzen: „Ich möchte die Moderne stärker ins Zentrum rücken. Außerdem kann es nicht sein, dass man sich auf dem Weg zum modernen Design erst durch Kontinente arbeiten muss.“ Ein neues Besucherleitsystem muss also her, vielleicht wird sie auch einiges umsortieren.

Das klingt schön, und die von Schulze avisierte Jugendstil-Schau wird den Besuchern gefallen. Trotzdem sind die Startbedingungen denkbar schlecht: Zwar hinterlässt Hornbostel ein schuldenfreies Haus. Dafür wird aber die Hauptausstellungsfläche im Sommer und Herbst 2008 saniert und somit unbespielbar sein. Nur Sonderausstellungen bringen aber Besucherzahlen und Renommée. Außerdem wird der findige Geschäftsführer Helmut Sander das Museum im Januar verlassen, um den Vorsitz der Hamburger Stiftung Historische Museen zu übernehmen. Zudem muss Schulze sämtliche Sponsorenkontakte neu aufbauen.

Dass das ein Problem werden kann, weiß sie. Deshalb hat sie Hornbostel bei der Vorstellungsrunde am Dienstag öffentlich gebeten, ihr behilflich zu sein. Doch wenn man sieht, wie er darauf die Arme verschränkt und in die Ferne schaut, wird man skeptisch: Vielleicht ist er nicht so geneigt, einfach weiterzugeben, was er in 20 Jahren errang. „Ich werde die Mäzene alle auf Ihren Schoß setzen“, sagt er zwar. Aber „diese Dinge müssen auch erarbeitet werden“.

Wie übrigens auch die Ausstellungsplanung ab 2009: Bis Ende 2008 hat Hornbostel vorgeplant. Eine knappe Kalkulation. Danach soll die Neue zeigen, was sie kann. Das wird sie vermutlich tun. Ob die Hanseaten sie aber umstandslos in den Good Old Boys-Club, dem Hornbostel angehört, aufnehmen werden, ist ungewiss. Ob sie der Hessin großzügig Geld für ein modernisiertes Haus geben werden, ebenfalls. Und wer weiß, vielleicht ist es dem scheidenden Direktor ganz lieb, wenn nach ihm kein so brillanter Sponsorenakquisiteur kommt, wie er es war.

PETRA SCHELLEN