: Du bist Deutschland
Mit einer feierlichen Zeremonie bürgert Innensenator Willi Lemke 300 MigrantInnen ein. Insgesamt ist 2007 für Bremen allerdings ein eher maues Zuwanderungsjahr. Schon 2006 wurden es weniger
Von Henning Bleyl
Zur Erstausstattung eines jeden neuen Deutschen Bremer Provenienz gehört das Grundgesetz und ein Gutschein fürs Focke-Museum. Sie liegen griffbereit auf dem Ledergestühl der Oberen Rathaushalle, in der sich an die 300 NeubremerInnen zum Zweck ihrer Einbürgerung versammeln. „Da steht ja ein Lied drauf“, sagt ein kleines Mädchen akzentfrei. Oh ja: Auf die Rückseite der Programmzettel ist die Nationalhymne kopiert, darüber steht das – erstmals bei einer Bremer Einbürgerungsfeier verwendete – „feierliche Bekenntnis“. Doch so weit ist es noch nicht.
Zunächst hält Innensenator Willi Lemke (SPD) eine engagierte Ansprache. „Bringen Sie Ihre Kinder in die Vereine, verteilen Sie sich über alle Stadtteile, wir brauchen die perfekte Gebrauchssprache Deutsch“. Der Senator erinnert an die amerikanischen Lemkes, also seine Großcousinen mehrfachen Grades, die mittlerweile auch keine Deutschen mehr seien, sondern Amerikaner: „So soll es bei ihren Nachkommen auch sein.“ Eindringlich verweist Lemke auf die „drei- bis vierfach schlechteren Chancen“ von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem und verhehlt schließlich auch nicht die evolutionäre Aufgabe der neuen MitbürgerInnen: „Sie sollen helfen, dass wir Bremer und Bremerinnen nicht aussterben.“
Mit rund 1.600 Neuzugängen ist 2007 für Bremen allerdings ein eher maues Einwanderungsjahr. Im Schnitt seien es pro Jahr an die 2.000 Menschen, die die Staatsbürgerschaft wechselten, sagt der Ressortsprecher. Bereits 2006 hatte Bremen gegen den Bundestrend rückläufige Zahlen: Während insgesamt ein Einbürgerungsplus von 6,5 Prozent zu verzeichnen war, verlor Bremen 5,1 Prozent. Das allerdings sei „im Rahmen der üblichen Schwankungen“ geschehen, erklärt das Ressort.
Schon in der Vergangenheit hat es wiederholt Klagen wegen eines „eklatanten Vollzugsdefizits“ gegeben, wie etwa die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill 2005 formuliert hatte. Die damalige Chefin des heute nicht mehr eigenständigen Amtes machte den Antragsstau beim diesbezüglich hoffnungslos überlasteten Innenressort verantwortlich. Weitere Hürden warten: Die seit August geltenden Änderungen im Staatsangehörigengesetz sehen „verschärfte“ sprachliche Anforderungen für Einbürgerungswillige vor, ab kommendem September müssen auch „Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung“ sowie der „Lebensverhältnisse in Deutschland“ nachgewiesen werden. Im Gegenzug kann die geforderte „Aufenthaltszeit für eine Anspruchseinbürgerung“ von acht auf sechs Jahre verkürzt werden. Das Problem mit den langen Bearbeitungszeiten habe man bereits in den Griff bekommen, erklärt das Innenressort: Bei „klarem Sachverhalt“ betrage sie in Bremen-Stadt nur mehr sechs, in Bremerhaven acht Monate.
Bei einer Georgierin, die 1996 als 18-jährige nach Bremen kam und sich jetzt für die Einbürgerung entschied, hat in der Tat alles fristgerecht geklappt. Lediglich ihr anfangs gehegtes Klischee von der deutschen Pünktlichkeit sei ihr am Bahnhof abhanden gekommen, erzählt die Promovendin im Rathaus.
Apropos pünktlich: Höchste Zeit für Hymne – „alle singen jetzt möglichst mit“ – und Bekenntnis: „Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte.“