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Archiv-Artikel

Nicht arbeiten Tanzen

Berliner Bands, das ist jetzt echt nichts Neues, schreiben momentan gern mal ein Liedchen über Berlin. Kann man ja auch verstehen: Berlin ist bekanntlich ziemlich beliebt in diesen Tagen und man kennt den Gegenstand ja aus eigener Anschauung recht gut, wenn man in der Stadt wohnt. „In Berlin“ heißt dieser Song auf dem zweiten Album von Tubbe, aber eigentlich handelt die ganze Platte vom Leben hier. Und wie Tubbe Berlin einschätzen, verrät schon der Titel recht unverblümt: „Keine Arbeit Lieber tanzen“.

Tatsächlich muss man sagen: So klarsichtig und kritisch, nichtsdestotrotz aber auch liebevoll wie Steffi Jakobs und Klaus Scheuermann, die sich 2010 in München zusammenfanden, bevor sie nach Berlin übersiedelten, hat schon lange niemand mehr auf diese Stadt geblickt. „Alle machen hier Musik, Tralala wird Politik“, singt Jakobs und fragt: „Wo ist es hin, das Leben aus Prospekten?“ Messerscharf, aber nicht ohne Empathie seziert sie die kreative Boheme mit „Nistplatz auf der Gästeliste“ und dem Hang zur „billigen Revolte“, die „so gesund beim Kranksein, so jung, schlau und schön“ ist und darauf wartet, „dass Geschichte passiert und jemand dabei zusieht, wie Großes aus uns wird“.

Ein abgeklärter Liebesdienst an und für Berlin, der auch musikalisch seine Entsprechung findet: Denn die Beats pumpen so konsequent, wie man es dem bislang eher für leichtfertigen Electro-Pop bekannten Duo nicht zugetraut hätte. Dazwischen zischeln futuristische Töne, aber auch ein ziemlich abgeschmacktes Jazz-Saxofon hat seinen Solo-Auftritt, aber vor allem sind die Melodien auf dem Sprung in die Charts. Doch, tatsächlich, das ist eine große Platte. Und ach ja, wenn es nicht schon zu spät wäre, weil es mit dem coolen Berlin ja eigentlich auch schon wieder bergab geht, könnte man jetzt mal wieder die Berliner Schule ausrufen.

Es ist ein bisschen traurig, aber die Kollegen von This Love Is Deadly passen gut ins Schema, das Tubbe beschreiben. Das Trio wurde vor drei Jahren für sein grandioses Debüt mit kuscheligem Gitarrenlärm gefeiert, aber hat die Steilvorlage irgendwie versemmelt. Der Nachfolger „Want“ erscheint nun auf einem Kleinstlabel ohne regulären Vertrieb, ist aber trotzdem gut gelungen, weil der alte Ansatz um elektronische Klänge und ungewohnte Ruhepausen erweitert wird. Nur der obligatorische Berlin-Song fehlt.

THOMAS WINKLER

■ Tubbe: „Keine Arbeit Lieber tanzen“ (Audiolith), Konzert am 2. April im Privatclub

■ This Love Is Deadly: „Want“ (Bekassine), Record Release Konzert am 3. April im Antje Öklesund