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: Wie eine vor sich hin gesungene Ballade

„The Saints – Sie kannten kein Gesetz“ („Ain’t Them Bodies Saints“, USA 2013; Regie: David Lowery), ab rund 13 Euro im Handel

„This was in Texas“ – so eine Schrifttafel kommt da ins Bild, gleich zu Beginn: Ruth (Rooney Mara) und Bob (Casey Affleck) geraten nach einem Banküberfall in eine Schießerei. Sie werden gefasst, er nimmt alle Schuld auf sich und geht in den Knast. Sie ist schwanger, er schreibt Briefe, sie haben sich ewige Treue geschworen, sie schreibt irgendwann nicht mehr zurück. Ausgerechnet der Polizist, der die Schießerei nur knapp überlebte, kommt Ruth näher und sie lässt es zu. Dann flieht Bob aus dem Gefängnis, er will zurück zu Ruth, er will auf und davon mit Ruth und der gemeinsamen Tochter. Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt: In Richtung Happy End bewegt sich das nicht.

„Ain’t Them Bodies Saints“ lautet der Titel des Films im englischen Original. Einen direkten Bezug zu Figuren oder Geschichte hat er nicht, man kann nicht einmal recht sagen, was er bedeutet, wessen Körper oder Leichen womöglich Heilige sind. Es sind nur Song-Lyrics, hat Casey Affleck erzählt, die Regisseur David Lowery falsch verstand und, wie man das manchmal tut, falsch weiter mitsang. Wen kümmert schon die Bedeutung, wenn Text und Musik zusammen gut klingen. Zum Film passt das sehr gut, der Anklang ans Sakrale, der Einschlag ins Kolloquiale, aber überhaupt das Gleitende der Bedeutung, das Sprechen, nun ja, nicht in Zungen, an jeder Festlegung und jedem eindeutigen Sinn dennoch vorbei.

Wie eine vor sich hin gesungene Ballade ist dieser Film. Von allen plot points und möglichen Spannungsmomenten nimmt David Lowery allen Druck, er erzählt davon eher weg. Überhaupt geht es nicht so sehr ums Erzählen, sondern um einen Ton, um das Hinstellen einer Welt, die aus Atmosphäre, aus Gesichtern und Stimmen, aber nicht aus klaren Ansagen gebaut ist.

Daniel Harts sehr präsente, aus Händeklatschen und erdverbundenen Tönen komponierte Musik fließt, als wäre sie schwerelos, über Schnitte und Einstellungen hinweg und nimmt so nicht nur den Szenen selbst, sondern auch dem, was sie verbindet und trennt, sehr viel Gewicht. Das immer leicht Weinerliche von Casey Afflecks Singsang trägt dazu bei, aber auch das Understatement von Rooney Mara, die an Ali McGraw erinnert und schon allein dadurch Siebziger-Südstaaten-Filme wie Sam Peckinpahs „The Getaway“ herbeiassoziiert.

Wo einer wie Peckinpah allerdings zupackt, lässt Lowery los. Er will, dass es schwebt; er will das flirrende Licht, er will, dass die Bilder zur Musik ins Gleiten geraten, er will Bilder wie Musik, in denen die Worte ankerlos scheinen, und er hat mit Bradford Young einen großartigen Kameramann, der Alltag und Sehnsucht und noch die Gewalt mit leichthändiger Eleganz zu filmen versteht. (Dass er auch anders kann, statischer, härter, mit entschiedenen Filtern und starken Kontrasten, ist derzeit noch in J. C. Chandors „A Most Violent Year“ in den Kinos zu sehen.) Was Lowery will, ist kurz gesagt: ein Film als Kathedrale, aber als eine, die schwebt.

Schon aus der Beschreibung ist klar, wer da als Vorbild im Raum steht: Terrence Malick, ein größerer Meister aus Texas. Allerdings schlägt Lowery die Brücke zwischen dem irdischeren Malick der siebziger Jahre und den metaphysischen Levitationen von heute; ziemlich gekonnt fügt er ein aus vielen anderen Vorbildern destilliertes, zeitenthobenes Westernfeeling dazu. Ein bisschen secondhand ist das im Ergebnis durchaus. Vielleicht sogar Kitsch, wer kann das schon sagen. Aber man kann schlechtere Vorbilder haben. Und auch bei Malick-Hommagen flirrt, gleitet und schwebt nichts von selbst. Weil Lowery seinen Film aber zum Schweben, Gleiten und Flirren gebracht hat, ist die Schönheit von „Ain’t Them Bodies Saints“ alles andere als geborgt. EKKEHARD KNÖRER