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Archiv-Artikel

Und immer schön Kokain im Haus

GLANZPAPIER Der Autor Imran Ayata erfindet in seinem Debütroman „Mein Name ist Revolution“ einen Berliner Dandy. Der steckt voll im ganz arg wilden Leben

Von einem wilden Leben zu erzählen, bietet einem Autor viele Vorteile. Zunächst braucht man sich nicht übermäßig um das Innenleben seiner Protagonisten zu kümmern, es passiert ja so schon genug. Der Fortgang der Geschichte erleichtert sich damit erheblich. Zudem kann man sicher sein, dass die Leser lustvoll und mit einigem Neid auf all die Erfahrungen blicken, die sie selbst womöglich niemals machen werden.

Imran Ayata erzählt in seinem Debütroman „Mein Name ist Revolution“ von einem solchen Leben. Er lässt zumindest den Willen erkennen. Seine Hauptfigur Devrim ist ein türkischstämmiger Berliner, dessen anatolische Eltern durch einen Lottogewinn reich wurden, bevor sie bei einem Autounfall ums Leben kamen und ihren Sohn als millionenschweren Erben zurückließen. Sein Alltag besteht in erster Linie aus Streifzügen durch einschlägige Bars und den Dingen, die man dort als junger Szenegänger so tut: trinken, koksen, Frauen küssen.

Anlaufstellen der Boheme

Das ist zwar nicht alles, was Devrim erlebt, nimmt aber ein Gutteil der Handlung ein. Regelmäßig fallen dabei die Namen von Orten, die einmal zentrale Anlaufstellen der Boheme von Berlin-Mitte waren: Getrunken wird im „103“ oder dem „Rheingold“, sein Mittagessen nimmt Devrim beim Vietnamesen „Monsieur Vuong“ ein.

Diese Namen erweckt Ayata aber kaum zu eigenem Leben. Sie tauchen als bloße Codewörter auf, als Authentizitätsnachweis, mit dem man sich von Insider zu Insider zuzwinkern kann: Ja, bin damals auch da gewesen.

Doch selbst die Sprache, in der Ayata von diesen Orten und den Personen, die sich dort einfinden, erzählt, lässt wenig von dem Glamour spüren, den sich der Autor von seinem Setting erhofft zu haben scheint. Die Sätze klingen oft hölzern und lassen allzu stark den Wunsch erkennen, Pointen zu setzen – oder Stimmungen einzufangen, die wohl an Popliteratur erinnern sollen.

Das Ergebnis wirkt mitunter unfreiwillig komisch. Es wird gepost, was das elterliche Vermögen hergibt. Bei seiner Geburtstagsparty etwa gerät der junge Dandy als Gastgeber in Verlegenheit, weil gerade kein Absinth im Haus ist, doch natürlich weiß er sich zu helfen: „Ich gab aus, was noch vorrätig war: Kokain.“ In dem Ton geht es unbekümmert weiter, so dass man sich fragen muss, was den Autor eigentlich beim Schreiben umgetrieben hat: Dient diese fiktive Biografie, die da entworfen wird, einem Workaholic – Ayata arbeitet hauptberuflich als Leiter einer Kommunikationsagentur – als Entspannungsübung nach Feierabend?

Es gibt allerdings noch ein weiteres Anliegen des Buchs: Neben seinen Exkursionen ins Nachtleben treiben den Deutschtürken Fragen nach seiner Identität um, Freunde wollen dem ewigen Single eine „türkische“ Freundin einreden, damit die rasch wechselnden Bekanntschaften mit Frauen deutscher Herkunft nicht zum Dauerzustand werden.

In Hamburg lernt Devrim dann tatsächlich eine Frau kennen, deren Familie aus derselben Region stammt wie seine Eltern. Beide finden im Verlauf des Romans zunehmend Gefallen aneinander – aufhaltsam, versteht sich. Formulierungen wie „Ich hatte das Gefühl, dass sich zwischen uns sogleich eine Nähe herstellte, die mir rätselhaft blieb“ machen es einem jedoch schwer, ernsthaft Interesse für die Beteiligten und ihre kulturelle Selbstbestimmung zu wecken.

„Wer es in Berlin zu etwas bringen will, braucht eine Story, die man sich weitererzählt“, verkündet der Klappentext selbstbewusst. Genau hier liegt aber das Problem des Buchs.TIM CASPAR BOEHME

Imran Ayata: „Mein Name ist Revolution“. Blumenbar Verlag, Berlin 2011, 318 Seiten, 16,95 Euro