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Archiv-Artikel

Jede Stimme zählt

Verlage im Norden (IX): Der Jumbo-Verlag in Hamburg hat sich auf anspruchsvolle Hörbücher für Kinder und Erwachsene spezialisiert. Mittlerweile ist er der viertgrößte Hörbuch-Verlag in Deutschland und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht

Die Konstellation ist günstig. 88 Prozent der Fünf- bis Neunjährigen nutzen Audiobooks, hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in einer Studie herausgefunden. Das bedeutet, dass Hörbücher für Kinder gut zu verkaufen sind. Und es bedeutet auch, dass Hörbücher für Erwachsene auf lange Sicht ihr Publikum finden werden: Die Chance steht gut, dass die Hörer dem Medium treu bleiben, wenn sie älter werden.

Dementsprechend kontinuierlich sind die Zuwächse in der Branche, zumal das Hörbuch wohl auch Dank der CD seit den 1990er Jahren rasant an Hipness gewonnen hat. Genau zur richtigen Zeit kam da der Jumbo-Verlag in Hamburg: 1991 legten Gabriele Swiderski und Ulrich Maske los mit einem kleinen Kinderprogramm, größtenteils auf Kassette. Mittlerweile sind bei Jumbo über 870 Titel für Kinder erschienen und der Verlag hat zwei Labels für Erwachsene gegründet: GoyaLit und Goya special, auf denen zusammen bislang rund 250 Hörbuchproduktionen erschienen sind. Wobei unter „Hörbuch“ bei Jumbo Lesungen, Hörspiele, szenische Lesungen, Klangcollagen, Erzählungen mit Musik und Lieder fallen.

Konkret gibt es im Kinderprogramm Klassiker wie Gullivers Reisen, sachlich orientiertes wie die Reihe „Wieso? Weshalb? Warum?“ oder das Hörspiel zum Film „Die Wilden Hühner“. Für die Erwachsenen liest beispielsweise Klaus-Peter Wolf seinen Krimi „Ostfriesenkiller“ oder die Schauspieler Bernd Stephan und Rolf Nagel lesen ein biografisches Portrait des Dalai Lama. Für Kinder und Erwachsene gibt es dann Cornelia Funkes Tintenherz-Triologie, gesprochen von Rainer Strecker.

Gut 30 MitarbeiterInnen hat der Verlag mittlerweile, vorhanden sind alle für einen Verlag wesentliche Abteilungen: Lektorat, Vertrieb, Grafik, Herstellung und Presse. Außerdem gibt es in den Räumen in dem schicken Altbau-Komplex in Hamburg-Eimsbüttel ein verlagseigenes Tonstudio, in dem die meisten Hörbücher produziert werden. Mit Stolz verweist man darauf, dass der Jumbo-Verlag nach wie vor konzernunabhängig arbeite. Auf der Liste der zehn größten Hörbuchverlage in Deutschland stehen die Hamburger nach Angaben des Börsenblatts auf Rang Vier – mit einem Umsatz von 16,2 Millionen Euro im Jahr 2006.

Gegründet habe man den Verlag mit dem Ziel, „der Berieselung entgegenzuwirken“, sagt Geschäftsführerin Gabriele Swiderski. „Wir wollten Emanzipatorisches an die Kinder bringen. Phantasievolle Themen, die Kinder anregen, selbst aktiv zu werden und nicht nur zu konsumieren.“ Bei den Erwachsenen vermutet Swiderski ein wieder erwecktes Bedürfnis nach Inhalten – vor dem Hintergrund, dass die Entwicklung im Formatradio und im TV eher dahin ginge, Inhalte auszudünnen und die sprachliche Mitteilung zu entwerten.

Dabei sei es gerade die Stimme, die schriftlich formulierte Inhalte noch differenzierter ausdrücken könne, sagt Swiderski. „Der Klang der Stimme und die Sprachmelodie sprechen eine innere Gefühlswelt an. Das Hörbuch bringt die geschriebene Sprache zum Klingen.“ Dementsprechend entscheidend ist die Auswahl der SprecherInnen, und im besten Fall heißt es dann beispielsweise in der FAZ über Kirsten Boies „Alhambra“: „Dieter Wien gibt den Personen ein eigenes Sprachprofil. Wenn man erst das Buch gelesen hat und es dann von Wien vorgelesen bekommt, fallen einem viele Feinheiten des Romans auf, die bei der Lektüre erst einmal überlesen wurden.“ KLAUS IRLER