: berliner szenen Weihnachtshäschen
Fluchtpunkt Alex
Die Gegenentwürfe zum bürgerlich verkitschten Weihnachtsmarkt lassen ihre Antihaltung gerne schon im Namen anklingen: „Schweinachtsmarkt“ oder „holy shit shopping“. Bei „holy shit“ im guten alten Café Moskau haben „Berliner Designer, Künstler und Modeschöpfer“ ihre Stände aufgebaut. Seltsamerweise sind hier nur wenige Produkte für Erwachsene dabei: Lätzchen, Käppchen, Strümpfchen, wohin das Auge blickt, alles noch rosaner, himmelblauer, goldiger als in der H & M-Babyabteilung. Der Trend zur Verniedlichung ist anscheinend fließend von der Jugendkultur auf die jungen und alten Eltern übergegangen.
Für den Adoleszenten bleiben die bunten Taschen aus Lkw-Plane, Fernsehturmkerzen und das Vesperbrettchen mit DDR-Design. Überall dazwischen hängen die Comicfigurenpuppen herum, all die blöden Häschen mit ihren umgekippten Öhrchen, die lieben Monster und die Mäuschen mit dem Kreuzstichgesicht. Amüsiert weisen sich die Besuchermassen gegenseitig auf debile Strampleraufschriften wie „Fight for your right to nuckel“ oder „Fußballzwerg“ hin. Wie blöd kann der Mensch an sich noch werden?
Man wird aggressiv in diesem Häschenparadies und schleicht sich – den inneren Drang, um sich zu treten und Bomben zu werfen, nur mühsam unterdrückend – zum Ausgang. Visuell überzuckert und innerlich angeekelt steht man dann auf der zugigen Karl-Marx-Allee – zum Glück ist das Gegengift, der Alexanderplatz, nicht weit! Echter Trash kann so angenehm sein: hässliche Menschen, schlechter Glühwein, Kirmestechno, beheizbare Hausschuhe und eine bizarre DVD – tanzender Indioschamane vor Berglandschaft – beruhigen die überanstrengten Sinne. CHRISTIANE RÖSINGER