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Archiv-Artikel

Der Eier-Äquator liegt bei Hannover

MARKTANTEILE Discounter-Eier werden in den Niederlanden gelegt, Bio-Ware aus Dänemark eingeführt, wo die strengsten Richtlinien gelten: Der deutsche Frühstückstisch braucht den Import

„Bio“-Haltung

■ Kennzahl: 0

■ Hühner pro Quadratmeter: 6

■ Sonstige Anforderungen: Eine Auslauffläche im Freien von vier Quadratmetern pro Huhn muss gewährleistet sein. Zudem gibt es Sitzstangen und Nester. Fütterung mit Bio-Futter.

■ Kritik von Tierschützern: Die empfohlene Haltungsform. Allerdings kann es durch das Bio-Futter zu Mangelerscheinungen wie dem Ausfall von Federn kommen. Männliche Küken werden getötet – nur einzelne Bio-Höfe verzichten darauf, unter anderem die Initiative Bruderhahn. Immer noch Massentierhaltung möglich.

Mit Hamburg sind die Dänen zufrieden, im Berliner Viertel Prenzlauer Berg verkauften sich besonders Bio-Premium-Sorten „wie verrückt“, sagt Harmen-Gero Zempel. „Aber München läuft gar nicht.“ Die Grenze für Eier aus Dänemark sei ungefähr Hannover, meint Zempel, zuständig für das Deutschland-Geschäft der Firma Danæg. Weiter südlich empfinden umweltbewusste Käufer das Produkt als zu weit gereist. Und die Massenware für die Discounter liefern ohnehin vor allem die Niederländer. Der deutsche Eier-Markt sei schwierig und hart umkämpft, sagt Zempel. Danæg versucht es seit vier Jahren. Mit professionellem Marketing konkurriert der „königliche Hoflieferant“ vor allem mit regionalen Bio-Höfen.

231 Eier verzehrt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr, sagt Anne Wilke vom Geflügelzüchterverband Niedersachsen. Nur 67 Prozent davon werden auch in Deutschland gelegt, die Tendenz abnehmend. Heißt: Ohne Auslands-Eier fehlt etwas auf dem Frühstückstisch. „Europa versorgt sich zu 100 Prozent, aber zwischen den Ländern gibt es Unterschiede“, sagt Wilke. Vor allem die Niederländer, deren Ställe dreimal mehr Eier erzeugen, als im eigenen Land gegessen werden, hätten sich „fein abgestimmt“ auf die Bedürfnisse der Nachbarn eingestellt. Das bedeutet vor allem: billig zu produzieren.

Ob mehr deutsche Eier gut wären? Wilke sieht Vor- und Nachteile: „Es ist nicht so einfach, in Deutschland die Genehmigung für weitere Ställe zu bekommen. Andererseits könnte man bei eigener Produktion die Qualität und die Standards selbst steuern.“ Schließlich wären deutsche Richtlinien strenger als der EU-Standard.

Freilandhaltung

■ Kennzahl: 1

■ Hühner pro Quadratmeter: 9

■ Sonstige Anforderungen: Eine Auslauffläche im Freien von vier Quadratmetern pro Huhn muss gewährleistet sein. Zudem gibt es Sitzstangen und Nester.

■ Kritik von Tierschützern: Zu hohe Besatzdichte. Oft leben bis zu 20.000 Hühner in einem Stall, von denen manche gar nicht erst zur Freilauffläche gelangen. Dadurch sind sie anfällig für Parasiten. Hühnern wird der Schnabel gekürzt, um zu verhindern, dass sich gestresste Tiere gegenseitig verletzen. Männliche Küken werden getötet (Verbote in Vorbereitung).

Wenn auch nicht so streng wie in Dänemark, betont Zempel: „Wir haben die besten und die am stärksten kontrollierten Eier der Welt.“ Regelmäßig würde auf Salmonellen getestet, auch bei der Haltung seien die Dänen weiter als die Deutschen: „Tierwohl ist bei uns ein Kulturgut.“ Dazu gehört, dass auch konventionell gehaltenen Hühnern nicht mehr die Schnäbel gekürzt werden dürfen. Das ist gut für die Tiere, aber ein Problem beim Export, denn die Haltung wird teurer, weil die Hühner mehr Platz im Stall brauchen.

Im Grunde müsste der Preis steigen, was aber vermutlich die Verkaufszahlen sinken lassen würde. Denn die Kunden schauten in Deutschland weit stärker als in Dänemark auf den Preis. Bedauerlich, findet Zempel: „Bei Billigprodukten kann man sich doch denken, dass die Tiere nicht das beste Futter bekommen und die Haltungsbedingungen nicht gut sind.“

Bodenhaltung

■ Kennzahl: 2

■ Hühner pro Quadratmeter: 9

■ Sonstige Anforderungen: Mindestens ein Drittel des Stalls muss eingestreut sein, damit Untergrund zum Scharren gegeben ist. Nester sind auf mehreren Etagen angelegt.

■ Kritik von Tierschützern: Zu hohe Besatzdichte, die Tiere haben kaum Ausweichmöglichkeiten und keinen Auslauf, Außenreize fehlen. Hühnern wird der Schnabel gekürzt, um zu verhindern, dass sich gestresste Tiere gegenseitig verletzen. Männliche Küken werden getötet (Verbote in Vorbereitung).

Danæg, deren Landwirte zu einem großen Teil nach Bio-Richtlinien produzieren, konkurriert in deutschen Supermarkt-Regalen mit den regionalen Anbietern. Die nähmen den neuen Mitspieler zwar wahr, sähen ihn aber nicht als Bedrohung, sagt Nicolai Wree, Geschäftsführer des Geflügelwirtschaftsverbandes Schleswig-Holstein: „Unsere Produzenten beliefern vor allem örtliche Händler“, punkten also mit den kurzen Wegen. Zudem sei gerade im Bio-Segment die Nachfrage steigend.

Zempel will zu Verkaufszahlen in Deutschland nichts sagen. Nur in ausgewählten Märkten, unter anderem in Rewe- und Edeka-Filialen, werden die Danæg-Eier angeboten. Dass die rund 80 Landwirte, die als Partner der Genossenschaft angehören, eines Tages einen bedeutenden Marktanteil in Deutschland erringen, ist wenig wahrscheinlich. In ganz Dänemark gackern gerade einmal drei Millionen Hühner, allein in Niedersachsen sind es elf Millionen.

Käfighaltung

■ Kennzahl: 3

■ Hühner pro Quadratmeter: 13

■ Sonstige Anforderungen: Nach EU-Richtlinien ist seit 2012 die Käfighaltung nur noch in Käfigen mit Einstreu, Nestern und Sitzstangen erlaubt. Die Käfige dürfen an keiner Stelle niedriger als 50 Zentimeter sein.

■ Kritik von Tierschützern: Zu wenig Platz für artgerechte Haltung, was zu Verhaltensstörungen führt („Federpicken“). Gitterböden schädigen die Füße der Tiere. Hühnern wird der Schnabel gekürzt, damit sie sich nicht verletzen. Männliche Küken werden getötet (Verbote in Vorbereitung).

ESTHER GEISSLINGER