Und sie kommen doch

REAKTION Trotz des Brandanschlags auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Tröglitz sollen Asylbewerber in den Ort ziehen. Das Landratsamt will sie in Privatwohnungen unterbringen. Der Zeitplan wird aber nicht eingehalten

Ich rufe alle Tröglitzer auf, Wohnraum zur Verfügung zu stellen!

MARKUS NIERTH, EX-BÜRGERMEISTER

BERLIN taz/dpa | Die Unterkunft ist schwer beschädigt, die Flüchtlinge kommen trotzdem: Nach dem Feuer in einem geplanten Asylbewerberheim in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) halten die Behörden an dem Plan fest, insgesamt 40 Flüchtlinge in dem 2.700-Einwohner-Ort unterzubringen.

Ab Mai sollen zunächst acht bis zwölf Asylsuchende in private Unterkünfte einziehen, für rund dreißig weitere sollen später Ausweichquartiere gefunden werden. Das sagte der zuständige Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), am Dienstag nach einem Treffen mit Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) in Magdeburg. Ein genaues Datum nannten die beiden Unionspolitiker nicht.

Ursprünglich hatte das Landratsamt geplant, bereits im Mai 40 Flüchtlinge in der Gemeinde zwischen Leipzig und Gera unterzubringen. Ein Mehrfamilienhaus in der Ortsmitte wurde für sie renoviert. Der Plan spaltete das Dorf jedoch: Anwohner und NPD-Politiker protestierten gegen die geplante Unterkunft; der parteilose Bürgermeister und Heim-Befürworter Markus Nierth trat im März nach Drohungen zurück und brachte sein Dorf damit bundesweit in die Schlagzeilen. In der Nacht zum Ostersamstag musste dann die Feuerwehr ausrücken: Unbekannte hatten das Gebäude angezündet, das Dach brannte komplett aus. Die geplante Unterkunft ist bis auf Weiteres unbewohnbar. Bis wann sie saniert sein könnte, ist vorerst nicht absehbar.

„Wir werden nicht weichen und die Unterbringung im Ort durchführen“, sagte Landrat Ulrich nach dem Brand. Sonst „hätten diejenigen obsiegt, die an diesen Verbrechen beteiligt waren“, ergänzte Innenminister Stahlknecht in der ARD.

Unterstützung erhielten die Verantwortlichen aus dem Ort selbst. Ex-Bürgermeister Markus Nierth kündigte bereits am Wochenende an, persönlich zwei Wohnungen zur Verfügung zu stellen. „Nun erst recht: Ich rufe alle Tröglitzer auf, ebenfalls leer stehenden Wohnraum Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, damit die Braunen nicht über unseren Ort siegen!“, schrieb er zudem auf seiner Facebook-Seite. Ein Aufruf, dem offenbar eine Reihe von Nachbarn folgte: Nach Angaben des Landrats liegen inzwischen mehrere Angebote vor. In den kommenden Tagen würden seine Mitarbeiter begutachten, welche der Räumlichkeiten tatsächlich geeignet seien.

Ulrich räumte ein, dass sich Flüchtlinge in Tröglitz angesichts der bisherigen Geschehnisse durchaus bedroht fühlen könnten. Engagierte Bürger sollten dem entgegenwirken. Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) kündigte an, die Polizei werde Schutzmaßnahmen ergreifen. Er sagte aber auch, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben könne.

Um die Brandstifter zu ermitteln, hat das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt derweil eine Ermittlungsgruppe mit dem Namen „Kanister“ eingerichtet. Aufgrund der Umstände und der Vorgeschichte vermuten die Beamten, dass die Tat einen ausländerfeindlichen Hintergrund hat. Andere Motive schließt das LKA aber zunächst nicht aus. Ab Mittwoch wollen die Polizisten Anwohner in Tröglitz befragen; für entscheidende Hinweise auf die Täter hat die Behörde eine Belohnung in Höhe von 20.000 Euro ausgesetzt.

TOBIAS SCHULZE