„Angela Merkel kommt mir echt vor“

DANIEL GLATTAUER ist Schriftsteller, Kolumnist und Gerichtsreporter für den Standard in Wien. In Österreichs Hauptstadt wurde er 1960 geboren, dort spielen auch seine Kurzgeschichten und Romane. Sein bekanntester ist „Der Weihnachtshund“ (Deuticke Verlag, 2001), eine Liebesgeschichte mit Deutsch-Kurzhaar in Zeiten des Internets, die auch verfilmt wurde. Im vergangenen Jahr schrieb er das Libretto für die Kurzoper „Falsch verbunden“, die am Tiroler Landestheater Innsbruck uraufgeführt wurde.

taz: Was war schlecht im letzten Jahr, Herr Glattauer?

Daniel Glattauer: Der Winter hatte bereits im Oktober begonnen.

Was wird besser im nächsten Jahr?

Der Sommer wird erst im Oktober enden.

Was war für Sie das größte Glück im letzten Jahr?

Das Bewusstsein, dass ich künftig vom „freien Schreiben“ leben werde können. Das hatte ich mir als Kind schon erträumt.

Was war für Sie das größte Unglück im letzten Jahr?

Das Bewusstsein, dass die Luft immer dünner wird, je höher man steigt. Und dass man der Einsamkeit entgegengeht, wenn man nur auf den persönlichen Erfolg setzt.

Was wird für Sie im nächsten Jahr das größte Unglück sein?

Wenn ich das heute wüsste, könnte ich es vielleicht verhindern.

Wo möchten Sie kommendes Jahr leben?

Nirgendwo anders als dieses Jahr: von Montag bis Freitag in Wien, von Freitag bis Montag in meinem Landhaus im niederösterreichischen Waldviertel, wo der Fuchs dem Hasen nur deshalb nicht „Gute Nacht“ sagt, weil sie einander nicht begegnen. Es gibt in Europa kaum ruhigere Plätze.

Welche Fehler entschuldigen Sie bei Politikern am ehesten?

Fehler, die sie sich und der Öffentlichkeit eingestehen.

Welche bei sich selbst?

Fehler, die keinen Schaden anrichten. Und Fehler, die ich kein zweites Mal begehen werde.

Welche bei der taz?

Da bin ich äußerst tolerant.

Was wäre für Sie das vollkommene Glück?

In einem ausgewählten Glücksmoment für immer verharren zu dürfen, selbstverständlich so, dass die Wirkung nie nachlässt.

Wer war Ihr Lieblingsromanheld und warum?

Mit „Helden“ habe ich meine Probleme. Ich mag die „normalen Figuren“ lieber.

Wer war Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit und warum?

Ich neige nicht zur großen Verehrung so genannter Übermenschen. Am liebsten sind mir die versteckten Helden des Alltags, die im kleinen Rahmen Glück verbreiten.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Angela Merkel am meisten?

Sie kommt mir echt vor. Das ist leider mehr, als man von Politikern (heute) verlangen kann.

Was ist Ihre wichtigste Tugend?

Ich kann gut auf andere Menschen eingehen. (Ich kann es gut, weil ich es gerne mache.) Und, ja, warum nicht: Ich kann lieben.

Was Ihre Lieblingsbeschäftigung?

An etwas Schönes denken.

Welchen Charakterzug vermissen Sie an sich?

Ich wäre manchmal gerne energischer, kämpferischer, durchsetzungsfreudiger.

Was ist Ihr Traum vom Glück?

Siehe: „vollkommenes Glück“.

Wer war Ihr Lieblingsschriftsteller?

Früher Erich Kästner. Heute Ian McEwan.

Und wer war Ihre Lieblingsschriftstellerin?

Früher Enid Blyton. Heute habe ich keine bestimmte.

Welches Buch möchten Sie nie lesen?

90 Prozent aller Bücher.

Welche historische Persönlichkeit verehren Sie am meisten?

Historische Persönlichkeiten interessieren mich nur mäßig.

Welche verachten Sie?

Siehe oben.

Welche Reform bewundern Sie?

Das Wort „Reform“ kann ich schon nicht mehr hören.

Von welcher Reform möchten Sie nie wieder hören?

So viel Platz haben wir hier nicht. Sagen wir, von jeder typisch österreichischen.

Wie möchten Sie das nächste Jahr überleben?

Halbwegs gesund.

Wie ist Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? Warum?

Ich bin ruhig und ausgeglichen. Ich habe in den nächsten beiden Tagen keine großen Pflichten zu erfüllen und Leistungen zu vollbringen.

Was ist Ihr Motto für das kommende Jahr?

Weiter wie bisher.

Was wünschen Sie sich für Ihr Lieblings-Fußballteam?

Den Aufstieg von der dritten österreichischen Liga in die zweite. Die Mannschaft heißt: Wiener Sportklub. Könntet ihr in der taz nicht ein bisschen Werbung für das Team machen?

FRAGEN: DAH