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„SB“ an der Domsheide

■ In unserer Sommerloch-Serie „Briefe an die Oberpostdirektion“ drucken wir heute die Zuschrift von Frau Debus ab, worin sie ein empörendes Telex-Erlebnis schildert

Sehr geehrte Oberpostdirektion!

„Selbstbedienung“ - beim Kopieren und beim Tanken, beim Einkaufen und beim Geldabholen, will ich mir sie ja gerne gefallen lassen. Auch an kalten Buffets und an Briefmarken -Automaten finde ich die moderne „SB“ angebracht. Aber an Telex-Geräten,

diesen seltenen und geheimnisvollen, rasant losratternden fernmeldetechnischen Ungetümen - da geht mir die „Selbstbedienung“ entschieden zu weit.

In Ihrem Postamt Domsheide steht nun seit geraumer Zeit in der Ecke, hinter einer Glastüre in eine Kabine eingesperrt, ein solches SB-Ungetüm. Und, um es Ihnen gleich vorweg zu sagen: Sie tragen bei diesem Fernschreiber eine besondere hanseatische Verantwortung, handelt es sich doch um den einzigen öffentlichen Ticker Bremens, vielleicht sogar auch Bremerhavens.

Ich bin Ihnen im übrigen - das will ich gar nicht verhehlen - dankbar dafür, daß Sie den Ticker-Bedarf der privaten Postkun

dInnen überhaupt so deutlich erkannt und ihm auch in so zentraler Lage Rechnung getragen haben. Schließlich sind selbst im Zeitalter aussterbender Ticker - nicht nur Reisebüros, Autohändlerinnen und Zeitungsredaktionen noch immer auf sie angewiesen, auch private Bremerinnen kommen mindestens einmal im Leben in die Verlegenheit, „ein Telex aufzusetzen“.

Bei mir - gestatten Sie mir diese persönlichen Ausführungen - war es letzte Woche Donnerstag unvermeidlich so weit. Ich mußte dringend meinen verspäteten Abflugtermin in einer fernen afrikanischen Hauptstadt bekannt geben. Ich wurde dazu von ihrem Beamten „Auf der Weide“, an

den ich mich zunächst vertrauensvoll gewandt hatte, korrekt auf die „Domsheide“ verwiesen.

Der dortige unter dem Schildchen „Telex“ zu sitzende Beamte klärte mich unverzüglich darüber auf, daß sich zwar hinter der Glastüre ein öffentliches Telex-Gerät befinde, er dieses aber keineswegs zu beherrschen vermöge: „Das hat uns das Fernmeldeamt hier rein gestellt. Bedienen kann das hier niemand.“

Auch der freundliche Herr von der „Kundenberatung“ mußte bei der Bitte, die Kundin zum Tickern anzuleiten, passen. Eine Beamtin teilte mit: „Das steht hier zur Selbstbedienung. Ich habe keine Zeit, aufzustehen und das Gerät zu erklären.“

Hinter der Glastüre in der Ecke entdeckte ich tatsächlich das einzige öffentliche Bremer Telex-Gerät. Und zum Glück fand ich zusätzlich daran sitzend einen orientalischen Herren, der sich bereit erklärte, mich in den Mechanismus des Ratter-Ungetüms einzuweihen.

Zudem schildere ich Ihnen hier kein indivuduelles Problem. Denn am gleichen Donnerstag abend traf ich meinen Nachbarn, den Afrikakundler N., zufällig vor der Haustüre. Empört berichtete ich ihm von meinem Erlebnis. Und sieh da: Er hatte ein ganz ähnliches SB-Erlebnis zum Besten zu geben, nur daß ihm kein freundlicher orientalischer Herr die Ticker -Knöpfe gedrückt, sondern er in seiner Verzweiflung beim Reisebüro „Scharnow“ Zuflucht gesucht hatte.

Ich fordere Sie deshalb hiermit, auch im Namen meines Nachbarn auf, diesen eklatanten Mißstand zu beheben. Auch frage ich mich bis heute, und diese Frage sollten Sie sich als oberster Dienstherr auch stellen, ob Ihr Fernmeldamt nicht vielleicht insgeheim die Schalterhalle Domsheide in ein Museum für Telekommunikationsgeräte verwandeln will und dies alles unter den arglosen Augen der SchalterbeamtInnen, die nur getreulich registrieren: „Das hat uns das Fernamt hier reingestellt.“

B.D.

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