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Bald ausgetanzt im Ballhaus Tiergarten?

■ Der Bund will das Ballhaus Tiergarten verscherbeln, der Senat spielt auf Zeit und der Landeskonservator muß sich beeilen Abriß nicht ausgeschlossen / Statt Kultur ein Supermarkt? / BVV-Parteien fordern Senat zum Handeln auf

Wer mindestens sechs Millionen Märker übrig hat, kann sich am Poker um das Ballhaus Tiergarten beteiligen. Die Sondervermögensverwaltung des Bundes hat das 124 Jahre alte ehemalige Offizierskasino samt baumbestandenem Biergarten letzte Woche meistbietend zum Kauf angeboten. Seit Januar bemüht sich währenddessen der freie Regisseur Burckner, unterstützt vom Senator für Kulturelle Angelegenheiten, mit einem Theater-, Musik- und Gastronomie-Konzept um die Pacht. Auch in der BVV Tiergarten war man mehrheitlich der Ansicht, der Bezirk benötige dringend ein bezirkseigenes Kulturhaus und schickte im Februar eine entsprechende Empfehlung an den Senat, das Grundstück zu erwerben. Dieser jedoch ließ sich Zeit.Erst jetzt trat der Senator für Finanzen mit der Bitte an den jetzigen Eigentümer, den Bundesminister für Finanzen, heran, „zu prüfen, ob das Grundstück für eine kulturelle Nutzung verkaufs- oder mietweise dem Land Berlin überlassen werden kann“. Auf die Frage, warum dies so spät erfolge, erklärte Staatssekretär Löhning vom Senator für Finanzen, die mit dem Projekt befaßten Verwaltungen hätten bisher „keine tragfähigen Nutzungskonzepte vorgelegt“. Außerdem hielte man aufgrund von eigenen Berechnungen den Preis für das Grundstück für weit überhöht. Womöglich wolle der Bund über solche Grundstücksgeschäfte seinen Haushalt konsolidieren.

Interessent Burckner weist den Vorwurf des nicht tragfähigen Konzeptes zurück. „Das politische Spektakel liegt doch darin, daß niemand dem Schillertheater sagt: 'Zahl doch mal Pacht‘.“ Bei der Sondervermögensverwaltung, so deren Sprecher Schwerdtfeger, geht man jedoch weiter davon aus, daß man, wenn sich auf dem freien Markt ein Bieter in der erwarteten Höhe finde, nicht darunter an den Senat verkaufen könne.

Wenn die Spekulation der Sondervermögensverwaltung aufgeht, sieht es schlecht aus für das Ballhaus Tiergarten. Die Gerüchte um einen Supermarkt konkretisieren sich bereits auf den Namen Edeka. Andererseits ist das Gebiet im Flächennutzungsplan als Wohngebiet ausgewiesen. Ein Abriß ist theoretisch vorstellbar und Neubebauung möglich. Dies kann auch Baustadtrat Naujokat aus Tiergarten rechtlich nicht ausschließen.

Eine Chance bestünde für das Ballhaus in einem förmlichen Bebauungsplan, der einen Abriß ausdrücklich verhindert. Eine zweite, womöglich schnellere Rettungsmöglichkeit hat der Landeskonservator. Nach dem Denkmalsschutzgesetz ist es möglich, ein Objekt mit sofortiger Wirkung vorläufig in das Denkmalbuch einzutragen. Die drei in der BVV Tiergarten vertretenen Parteien CDU, SPD und AL erwägen zur Zeit, sich mit einem gemeinsamen offenen Brief an den Landeskonservator zu wenden.

Erfahrene Kenner der Moabiter Grundstückslandschaft befürchten jedoch, daß jeglicher Rettungsversuch zu spät kommen könnte. Sie erinnern daran, daß es vor acht Jahren bereits einmal eine starke Kulturhausinitiative in Tiergarten gab, die die damals zum Verkauf stehende Schultheiss-Brauerei zur Kultureinrichtung machen wollte. Den Zuschlag erhielt Kurt Franke, dem im Bezirk Tiergarten weit mehr als 70 Häuser gehören und wegen dessen Bestechungsgeldern einige Tiergartener Lokalpolitiker inzwischen zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Die Schultheiss-Brauerei beherbergt heute einen Tapetenmarkt und diverse Kleinbetriebe.

Sigrid Bellack

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