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Zuckerbetrieb verstaatlicht

Nicaraguas letzte private Zuckermühle heruntergewirtschaftet / Verstaatlichung nur aus wirtschaftlichen Gründen / Eigentümer wollen Rechtsmittel einlegen / Verhandlungen über Kauf des Betriebs möglich  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Der letzte private Zuckerbetrieb Nicaraguas wurde letzte Woche verstaatlicht. Die San Antonio-Zuckermühle bei Chinandega, ca. 100 km westlich von Managua, die jahrelang als Muster „patriotischen“ Unternehmertums gegolten hatte, ist völlig heruntergewirtschaftet.

Betrachtet man die innenpolitischen Ereignisse der letzten Zeit - die brutalen Auseinandersetzungen zwischen Sandinisten und Oppositionellen bei der Demonstration in Nandaime, die Schließung von Oppositionsmedien und die halbjährigen Gefängnisstrafen für drei oppositionelle Politiker -, fragt man sich, ob es jetzt auch dem Privateigentum an den Kragen gehen soll. Wohl kaum. Die nicht mehr ganz überraschende Enteignung der „Nicaragua Sugar Estates Ltd.“ hat mit der härteren innenpolitischen Gangart bei den Ereignissen von Nandaime nichts zu tun. Die Maßnahme entspringe rein wirtschaftlichen und nicht politischen Überlegungen, beeilte sich Agrarreformminister Jaime Wheelock zu erklären. Man wolle den Betrieb aus volkswirtschaftlichem Interesse vor dem Zusammenbruch bewahren. Tatsache ist, daß die Produktion des einstigen Mustergutes in den letzten fünf Jahren beständig gesunken sind. Die letzte Ernte war die schlechteste, die je eingebracht wurde. Die Regierung wirft der Familie Pellas nach der Vertreibung Somozas die bei weitem reichste des Landes - vor, den Betrieb heruntergewirtschaftet zu haben und setzte ein Team von bewährten Kadern ein, um San Antonio noch vor Ende der Saatperiode wieder in Schwung zu bringen.

Carlos Pellas, Generaldirektor und Miteigentümer der “ Nicaragua Sugar“ protestierte: „Die Dürre letztes Jahr hat die Staatsbetriebe genauso getroffen“. Man werde alle Rechtsmittel erschöpfen, um den Schritt rückgängig zu machen. Pellas wirft der Regierung vor, daß dem Betrieb jährlich nur zwei Millionen Dollar Devisen zur Verfügung gestellt wurden, während mindestens fünf Millionen nötig waren. Dieses Argument will Wheelock nicht gelten lassen, denn „Nicaragua Sugar“ habe 60% der Devisen bekommen, die im Zuckerbereich investiert wurden. Den Rest mußten sich die fünf staatlichen Betriebe aufteilen. Jedenfalls hat die Familie Pellas, die mit der Erzeugung des berühmten „Flor de Cana„-Rums und der Toyota- Generalvertretung profitable Geschäfte betreibt, auch nichts an Eigenmitteln investiert.

Der Enteignungsbeschluß erfolgte auf der Grundlage eines Berichts einer Spezialkommission des Agrarreformministeriums, die grobe Vernachlässigung konstatierte. Obwohl nur auf einem Drittel der möglichen Anbaufläche ausgesät wurde, ist der vorhandene Maschinenpark nicht in der Lage, zum Jahresende die Ernte zu bewältigen. Preiswerte Maschinen aus Osteuropa hatten die Eigentümer naserümpfend zurückgewiesen.

Ein Freund der Familie Pellas vermutet, daß die Eigentümer, von denen die meisten in den USA leben, über die Enteignung des wenig profitablen Betriebes gar nicht unglücklich sind. Noch bevor der Rechnungshof über die Bücher gegangen ist und eine Entschädigungssumme festgesetzt hat, deutete Wheelock an, daß man statt der Enteignung auch über einen einvernehmlichen Kauf des Betriebes verhandeln könne.

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