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Bös verderbte Erde

■ „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (Nicolas Roeg, 1976): Gravitätischer Schmus, schön fotografiert

Von Nicolas Roeg kannte ich bisher nur „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, diesen rätselhaften, morbide-schön fotografierten venezianischen Todesfilm. Der David-Bowie -Kultfilm „Der Mann, der vom Himmel fiel“, von Roeg 1976, also drei Jahre später gedreht, ist auch ziemlich rätselhaft, aber leider aus Gründen, die man bei Filmen nicht so gerne hat: Die Geschichte ist etwas wirr erzählt, sie wirkt ermüdend auf die Dauer und macht sich reichlich wichtig. Als Entschädigung können sich allerdings die Augen

-selbst von Nicht-Bowie-Fans - an bild-schönen Szenen laben, aber gegen Ende des zweistündigen science-fiction -Films ist man leider selbst davon etwas übersättigt.

David Bowie als ätherischer Weißling und irgendwie weder Mann noch Frau spielt ein Wesen von einem anderen Stern, auf dem es offensichtlich an Wasser mangelt. Das begreift man aber erst lange nach den ersten Szenen, in denen Bowie, der Mann, der gleich zu Anfang vom Himmel auf den amerikanischen Teil unserer Erde fällt, gierig Flußwasser trinkt. Anscheinend will Bowie für seinen Planeten irdische Lösungsmöglichkeiten finden und baut demzufolge, ehe man sich's versieht, ein gigantisches elektronisches Wirtschaftsunternehmen auf, „World Enterprises“.

Im Lauf seines Erdendaseins muß der arme Gebleichte Bekanntschaft machen mit den sexbesessenen, dem Alkohol verfallenen Amis, die den unschuldigen Parzival schnöderweise in eine Irrenanstalt sperren, weil sie in ihrer Verderbtheit nicht glauben können, daß es sich hier tatsächlich um ein außerirdisches, nicht etwa verrücktes Wesen handelt. Am Ende ist Bowie mit Hut und Gin-Glas zum Menschen geworden, der, wie die Amis, nur noch säuft: Gin Marke „Beefeater“, wie man mehrmals beiläufig flaschenweise sehen kann. Von einer Rückkehr auf seinen Planeten muß er wohl Abstand nehmen, nachdem er im Film schon mal kurz vor dem Abflug gewesen ist.

Nun ist die Geschichte zwar nicht ganz so doof, wie es jetzt scheinen mag. Aber ein bißchen kraus ist sie schon, und von getragenem Ernst in ihrer human-kritischen Botschaft. Was freilich den Film trotzdem empfehlenswert macht für Augentiere - und die sollen ja schließlich im Kino auf ihre Kosten kommen -, das sind die auserlesen schönen und ausdrucksstarken Bilder, die keineswegs dem eitlen Selbstzweck frönen, sondern den optischen Teil der Geschichte aufregend und berauschend machen. So schön, daß man auch noch als eingefleischter Nicht-Bowie-Fan besoffen werden kann.

Sybille Simon-Zülch

Schauburg, 23 Uhr.

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