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Kippt Schulstandort-Konzept noch mal?

■ Handelskammer kündigt entschiedenen Widerstand an: Senat mit Kippenberg-Aufgabe wortbrüchig / Wedemeier nach Gespräch mit Handelskammer-Präses Berninghausen „völlig verdattert“

Ohne bildungspolitische Glück sind derzeit die Bemühungen von Senator Horst Werner Franke. Nachdem der Landesparteitag der SPD Frankes erste Version eines „Standortkonzeptes für die Schulen im Lande Bremen“ (STEP) kippte, wackelt jetzt auch die zweite Fassung des STEP ganz erheblich. Heftige Klagen über die von der Partei gewünschte und vom Senator vollzogene schulpolitische Kehrtwende mußte sich am Dienstagabend Bürgermeister Klaus Wedemeier höchstpersönlich vom einflußreichen Präses der Bremer Handelskammer, Friedo Berninghausen, anhören.

Berninghausen hatte um ein persönliches Gespräch mit dem Bürgermeister nachgesucht, weil er sich vom Bremer Senat schlicht geleimt fühlt und postwendend einen Termin erhalten. Nach dem Gespräch sei der Bürgermeister ausgesprochen „verdattert“ und „geradewegs auf der Palme“ gewesen, wußten unterschiedliche Augen-und Ohrenzeugen im Bremer Rathaus gestern über Wedemeiers Reaktionen zu berichten. Offensichtlich traf den Bürgermeister der heftige Widerstand aus der Handelskammer gegen das neue Standortkonzept einigermaßen unvorbereitet.

Hintergrund von Berninghausens Empörung: Unmittelbar vor den Bürgerschaftswahlen hatte Franke dem Handelslammer-Prä

ses zweifach und schriftlich versprochen, das Kippenberg -Gymnasium werde nicht angetastet, und für die beiden letzten durchgängigen Gymnasien ausdrücklich eine „Bestandsgarantie“ gegeben. In seiner Regierungserklärung habe der Bürgermeister sogar ein drittes, bilinguales Gymnasium angekündigt und damit einen tragfähigen Kompromiß zwischen Befürwortern des traditionell dreigliedrigen Schul

systems auf der einen und sozialdemokratischen Anhängern der Stufenschule auf der anderen Seite gefunden, so Berninghausen. Durch Frankes neues Konzept, aus dem Kippenberg-Gymnasium eine Sekundarstufe I-Zentrum zu machen, muß sich der Präses auch persönlich bis auf die Knochen blamiert fühlen. Im Vertrauen auf das Wort des Bürgermeisters und seines Bildungssenators habe er sich auch überre

gionalfür Bremen als Wirtschaftsstandorteingesetzt und ansiedlungswilligen Unternehmern „leistungsfähige Gymnasien“ für ihre Kinder zugesagt. Berninghausen zur taz: „Durch die neuen Pläne des Senators stehe ich jetzt ganz dumm da. Wenn das Konzept wirklich umgesetzt wird, habe ich zum letzten Mal ein gutes Wort für den 'Wirtschaftsstandort Bremen‘ eingelegt.“

Ähnliches will Berninghausen

auch Bildungssenator Franke bereits vor 14 Tagen angekündigt haben. Noch vor der Veröffentlichung seines neuen Konzepts war Franke beim Präses der Handelskammer aufgetaucht, um für den Kompromiß auf Kippenberg-Kosten „gut Wetter“ zu machen. Offensichtlich erfolglos. Franke bestätigte gestern: „Herr Berninghausen hat mir bei dem Gespräch zu verstehen gegeben, daß der Ofen zwischen Senat und Handelskammer endgültig aus ist, wenn Bremen nicht drei durchgängige Gymnasien bekommt.“

Von der Empörung, die sein Vorschlag beim Präses der Handelskammer ausgelöst hatte, will Bildungssenator Franke den Bürgermeister gleichwohl informiert haben. Ob Franke nicht nachdrücklich genug auf den absehbaren Widerstand hingewiesen oder der Bürgermeister Frankes Warnungen nur mit halbem Ohr zugehört hat, darüber läßt sich nur spekulieren. Franke bekam jedenfalls inoffiziell grünes Licht im Senat mit der Maßgabe, die zuständige Bürgerschafts-Deputation zu überzeugen - bei den Mehrheitsverhältnissen eher eine Formsache. Seit gestern gibt es wieder Bewegung: Morgens erhielt der Bildungssenator einen Anruf des Bürgermeisters. Kurz darauf hatte Franke ein vertrauliches Gespräch mit dem Präsidenten der Handelskammer.

K.S.

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