: Austrinken und wegschmeißen
■ Michael Bultmann, Produzent des überregional bekannten Ini-Labels „Überschall“ und Überschall-Plattenladen-Besitzer, ist das 23. Mitglied unseres CultureClubs
Michael Bultmann, 33, ist nicht gerade das, was allgemein von einem Plattenproduzenten erwartet wird. Nebenbei betreibt er mit seinem Partner Ingo Gäbler den Überschall-Plattenladen, er legt im Römer donnerstags die Scheiben auf, veranstaltet manchmal kleinere Konzerte, spielt in der Gruppe „Hard Boiled Man Goes“ Schlagzeug und konzipiert auch schon mal ein T-Shirt. Vor der Veröffentlichung seiner „Dry
Halleys„-Maxi und der Platte der „Girls under Glass“ sprach die taz mit ihm.
taz:In dieser Reihe stellt die taz u.a. Leute vor, die Kultur von unten machen. Zählst Du Dich zu dieser Gruppe?
Michael Bultmann: Ich seh mich schon so. Ich halte mich ohnehin nicht für einen Menschen, der innerhalb unseres gesellschaflichen Gefüges zu den tragenden Säulen gehört. Genauso ist auch die Mu
sik, die ich verkaufe. Sie ist für eine bestimmte Art von Menschen, die nicht so mit dem Strom schwimmen, von Bedeutung und damit auch für Bewußtseinsbildungen und Veränderungen geeignet. Das ist in der europäischen Szene ja nun ganz und gar nicht immer so. Hier bei uns findet ein Konzentrationsprozess auf der Vertriebsebene statt. Saturn -Hansa verkauft Platten mit Inhalten, die gegen Unternehmen wie Saturn selbst gerichtet sind. Moral gibt's da nicht, Bandnamen, Texte und politische Aussagen spielen keine Rolle. In der BRD wird einfach alles verkauft.
Wie läuft das genau, wenn eine Gruppe zu Dir kommt und eine Platte bei Dir machen will?
Wenn ich das schlecht finde, läuft sowieso nichts. Wenn wir übereinkommen, eine Platte zu produzieren, ist es mittlerweile so, daß ich versuchen muß, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Ich kann mich da nicht auf große Risiken einlassen. Wenn ich, sagen wir mal, 4000 DM für eine Plattenpressung ausgebe, und das ist billig, und ich mache das vier mal im Jahr und kriege nur 5000 wieder rein, dann bin ich erledigt. Also muß ich versuchen, daß die Gruppen von sich aus auch etwas vorfinanzieren, das Aufnahmestudio, die Überspielung und die GEMA-Kosten, z.B. Der Vertrieb läuft dann über die EFA. Das sind sehr korrekte Leute. Manche
Vertriebe pushen wie die Wilden - und zwar das, was der Markt will. Dieses Acid-House-Gedudel ist wie eine Cola -Dose. Austrinken und wegschmeißen.
Du betätigst dich bewußt in einer Stadt wie Bremen. Lohnt sich das überhaupt?
Ich finde schon, daß der nördliche Teil der BRD der progressivere ist, musikalisch wie politisch. Es gibt in Bremen eine ganze Menge Labels, die übrigens untereinander sehr kooperativ sind. Es gibt einen Haufen Bremer Bands, aber so richtig kriegen die nie ein Bein auf die Erde.
Woran liegt das?
Das hat viele Gründe. Bremen kennt doch kaum jemand. Die hiesige Szene ist in den Medien unterrepräsentiert. Auch die Printmedien haben doch für Bremer Belange nichts übrig, weil die überregionalen und daher wichtigen Medien um Bremen einen Bogen machen. Wenn Du im Ausland von Bremen sprichst, dann sagst Du am Besten „in der Nähe von Hamburg“ oder „Beck's Bier“, dann wissen die Leute Bescheid. Aber Musik? Es gibt diese Gruppe, die heißt „Bremen“. Die macht nicht besonders gute Musik, finde ich, aber der Name stimmt. Die tun was für die Gegend. Die meisten Gruppen von hier arbeiten einfach nicht professionell genug. Andauernd löst sich eine Formation auf. Niemand will eine Zeitlang von we
nig Kohle leben und dann Berufsmusiker werden. Es fehlen auch die internationalen Einflüsse. Die talentierten Musiker, die es in Bremen schon gibt (er zeigt auf die Kassette der Off-Breminale), treffen doch nie einen ausländischen Musikmacher in der Kneipe, mit dem sie sich austauschen können.
Was schlägst Du denn zur Belebung der Musikszene vor?
Auch wenn's sich schräg anhört, der Staat könnte viel mehr helfen. Der Senat powert 'ne Menge Kohle in dieses „Roll over Bremen„-Buch, das niemand braucht, aber für den Schlachthof haben sie kein Konzept. In Holland, z.B. in Groningen bei „Vera 44“ da werden Konzerte subventioniert, mehr als Fl. 7.50 bezahlst Du nie. Dafür gibt es aber ein tragfähiges Freie-Mitarbeiter-Konzept. Hier läuft das alles über ABM-Leute, denen über kurz oder lang dann doch wieder das Wasser abgegraben wird. Was immer geschieht, irgendwann saniert der SPD-Senat es wieder kaputt. Die BRD ist der drittgrößte Medienmarkt der Welt, aber es scheint unmöglich, ein wenig regulativ und fördernd für die eigene Musikszene einzugreifen. Im Gegenteil, ausländische Sachen überschwemmen die Läden mit einem Niveau, das zum Himmel schreit. Wenn die Leute nur wüßten, was ihnen da in englisch um die Ohren gehauen wird.
Fragen: Jürgen Francke
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