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Ein Braintrust für die Frauenbewegung

Braucht die Frauenbewegung ein neues Netz oder die Unterstützung vor Ort? Die „Mitfrauen„-Versammlung der grünennahen FrauenAnstiftung einigte sich auf ein Kompromiß-Modell / Aber noch sind die Gelder für die feministische Kulturrevolution gesperrt  ■  Aus München Christel Schachtner

Alles hatten die Frauen gewollt, nicht nur ein Stück des Kuchens. Eine reine Frauenstiftung sollte die geplante Grünen-nahe Stiftung werden. Jahrhundertelang ausgeschlossen von gesellschaftlichen Entscheidungs- und Machtsphären, wollten die Frauen nicht länger bescheiden sein. Eine Frauenstiftung könnte - so argumentierten die Initiatorinnen - quer zu Bewegungen und Problemfeldern kritische Impulse setzen, denn Frauen formierten ihre Kritik in allen gesellschaftlichen Bereichen. Eine „Kulturrevolution“ schwebte den Frauen vor, die nach oben kehrt, was in der gesellschaftlichen Machtverteilung sonst unten ist.

Der Parteitag der Grünen im März 1988 in Ludwigshafen setzte der weiblichen Unbescheidenheit Grenzen. Beschlossen wurde dort der „Stiftungsverband Regenbogen“, der unter seinem Dach drei autonome Stifungen vereinigen soll: die Heinrich-Böll-Stiftung, Buntstift, und die FrauenAnstiftung. Das hieß: die zu erwartenden staatlichen Globalzuschüsse würden gedrittelt werden. Glücklich waren die Fauen mit dieser Lösung nicht, aber sie wollten sich mit ihr arrangieren.

Als sich am vergangenen Wochenende Vertreterinnen von etwa 20 Frauenprojekten sowie einzelne Feministinnen aus allen Teilen der Bundesrepublik im Münchner Frauen-Kulturhaus trafen, sollte über die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung der FrauenAnstiftung in ihrer ersten Phase entschieden werden. Optimistische Akzente setzte zu Beginn Gisela Vollrath vom FFBiz Berlin mit ihrem „Sender Feminista“. Sie führte mit ihm vor, wie es sein könnte, wenn Frauen anfangen, sich selbst und die Verhältnisse umzukrempeln. „Sonne über Berlin und überall“, tönte es aus dem Sender. Der Weg dorthin ist weit und mühsam. Das machte die anschließende Debatte über das vorgestellte Modell für die Aufbauphase der FrauenAnstiftung deutlich. Ausgehend von inhaltlichen Schwerpunkten sollten in diesem Modell bundesweit feministische Frauenprojekte angesprochen und koordiniert werden mit dem Ziel, überregionale Foren und Arbeitsgruppen zu bilden. Das Ergebnis zweijähriger Vernetzungsarbeit sollten thematische Zentren sowie neue Arbeitsvorhaben sein, die dann mit einer Finanzierung durch die FrauenAnstiftung rechnen könnten. Von neuen Frauenprojekten, die „ein Stück Größenwahn“ beinhalten müssen, war die Rede und in diesem Zusammenhang - wenn auch nur als Beispiel - von einer Frauenzeitung und einem Frauensender.

Wenig Sympathie erntete das Modell zunächst bei den Frauen, die sich von einer FrauenAnstiftung erwarteten, daß sie die schon bestehenden Projekte vor Ort unterstütze. Das Modell wurde als bürokratischer Weg von oben charakterisiert, der die Projekte einem Zwang zur Vernetzung aussetze. Eine Vertreterin des zweijährigen Aufbaumodells konterte: „Die Frauenbewegung ist nicht nur wunderbar. Sie braucht neue Ideen und Anregungen.“ Außerdem reiche das Geld nicht, um viele kleine Einzelprojekte zu bedienen. „Wir brauchen was, was uns allen nützt“, meinte Hannelore Schwedes (Hamburg). Ein Teil der Frauen blieb dennoch skeptisch. Ihre Skepsis galt auch der Überforderung, die entsteht, wenn Frauen beides sollen: Projektarbeit vor Ort und Mitgestaltung der überregionalen Strukturen. Kompromißformel

Hinter dieser Kontroverse mögen unterschiedliche Interessen an unterschiedlichen Projekten stehen, aber vielleicht auch unterschiedliche Politikverständnisse, wie dies Poulina Hilsenbeck vom Münchner Frauentherapiezentrum der Versammlung zu bedenken gab, als sie fragte: „Bewegt sich mehr dadurch, daß wir eine einzige Stimme entwickeln oder mehr dadurch, daß wir vor Ort kontinuierlich Arbeit machen?“ Daß es zu dieser Frage auch weiterhin verschiedene Standpunkte geben würde, war am Ende der fast fünfstündigen Diskussion klar, und dennoch waren die Fauen zuversichtlich. Ihr Interesse an einer Einigung, die Unterschiede bestehen läßt, zeichnete sich ab.

Am nächsten Tag fielen die Entscheidungen. Eine Satzung wurde verabschiedet und ein Gesamtvorstand mit 19 Frauen und drei Vertreterinnen gewählt. Die FrauenAnstiftung konzentriert ihre Arbeit auf folgende Schwerpunkte: Gen- und Bevölkerungspolitik, feministische Öffentlichkeitspolitik, Staat und Autonomie, feministische Ökonomie, Arbeitskreis Internationalismus und Entwicklungspolitik. Orientiert an diesen Inhalten sollen sich überregional, aber auch regional Foren bilden. Finanziell gefördert werden sowohl die angestrebten Vernetzungszentren als auch Einzelinitiativen. Gisela Notz (Redaktion 'Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis‘) wertete die getroffenen Entscheidungen als einen Kompromiß, weil sie regionale und überregionale Arbeit unterstützen. Ob sie tatsächlich einen Kompromiß darstellen, wird die Praxis zeigen. Entscheidend dafür wird sein, welche Prioritäten bei der Vergabe von Geldern gesetzt werden. Denn so nötig es ist, daß Frauen im großen Maßstab unsere Gesellschaft gegen den Strich bürsten, so wenig kann dieses Vorhaben gelingen, wenn es nicht von Frauengruppen vor Ort mitgetragen ist.

Doch vorerst haben die Frauen noch andere Sorgen. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat die staatlichen Globalmittel für den „Stiftungsverband Regenbogen“ gesperrt. In einem verfassungsrechtlichen Gutachten soll geprüft werden, ob der Stiftungsverband nicht nur eine Gelddurchreiche ist, ob er nicht zu parteinah ist, ob „mann“ den Begriff „Mitfrauen“ juristisch akzeptieren kann und ob es mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist, wenn 70 Prozent der Stipendienmittel an Frauen gehen. Erst wenn das Gutachten, das im Januar 1989 erwartet wird, diese Bedenken ausräumt, werden dem Stifungsverband 4,2 Millionen Mark für das Jahr 1989 zur Verfügung stehen. So haben die Frauen an diesem Wochenende zwar viel Lust bekommen, inhaltlich weiterzuarbeiten, aber es blieb die Unsicherheit, ob es für ihre Pläne demnächst Geld geben wird.

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