: Zwei Burenfeiern zum Massaker an den Zulus
Ultrarechte in Südafrika stellen die „Schlacht am Blutfluß“ nach / Scharfe Angriffe gegen den Staatspräsidenten / Taktieren nach innen und außen bestimmt Regierungsfeier / Spaltung der Buren gefährdet Bothas Machtbasis ■ Aus Pretoria Hans Brandt
Kurz nach Sonnenaufgang greift die Übermacht der Zulus an. Tausende stürzen sich auf die wenigen hundert Buren, verschanzt in ihrer Wagenburg am Flußufer. Kriegsrufe füllen das Tal. Kanonen donnern, Gewehre knallen. Die Schwarzen werden zurückgedrängt. Berittene Buren fallen aus, metzeln die nur mit Speeren und Schildern bewaffneten Krieger nieder. Der Fluß fließt rot mit dem Blut der Toten. Siegreich geloben die Buren, diesen Tag für ewig als heiligen Sonntag zu feiern.
Es geschah vor 150 Jahren, bei der „Schlacht am Blutfluß“ und gestern auf einer Farm außerhalb Pretorias zur Feier des 150. Jahrestages des „Großen Trecks“. Damals waren die Buren ausgezogen, um die verhaßten britischen Kolonialherren loszuwerden und im Inneren des Landes ihre eigenen, burischen Republiken zu gründen. Im Morgengrauen, um vier Uhr in der Früh‘, versammelten sich gestern etwa 20.000 Buren, Anhänger der ultrarechten Konservativen Partei (CP) und der neonazistischen Burischen Widerstandsbewegung (AWB). Laut applaudierten sie den verkleideten Jugendlichen, die mit Platzpatronen die aus Lautsprechern tönenden Schlachtrufe der Zulus zerknallten. Sie jubelten, als die berittenen Kommandos durch das Tal stürmten und imaginäre Horden schwarzer Barbaren niedermetzelten. Sie standen stramm, um das heilige Gelöbnis ihrer Vorfahren zu erneuern. Denn diese Leute glauben, daß ihnen heute eine ähnliche Schlacht bevorsteht. Pieter W. Botha, der „linke, liberalistische“ Staatspräsident, will „ihr“ Land den dunklen Horden verkaufen, ihr „Volk der Buren“ mit Schwarzen vermischen. Als die Briten im Burenkrieg im Jahre 1900 Pretoria, die Hauptstadt der Burenrepublik im Transvaal, einnahmen, zogen die Buren sich aus der Stadt zurück, ohne sie zu verteidigen. Statt dessen gruppierten sie sich hier, in „Donkerhoek“ („dunkle Ecke“), 30 Kilometer östlich der Hauptstadt. Hier erzielten 3.500 Buren einen letzten Sieg gegen 22.000 britische Soldaten.
Den Ultrarechten zufolge war Pretoria auch gestern in den Händen des Feindes. Das Voortrekker Monument, das Allerheiligste der Buren, wo jedes Jahr am 16.Dezember um zwölf Uhr ein „Lichtstrahl der Zivilisation“ durch die Kuppel des Monuments fällt, um im Keller den Gedenkstein des Burentums neu zu erleuchten - das Voortrekker Monument war von der Regierung für die offizielle Feier beschlagnahmt worden. Dabei hatten die Ultrarechten schon vor Monaten das Monument fest für sich gebucht. Deshalb versammelten sich die CP- und AWB-Anhänger in „Donkerhoek“ als Gedenkstätte zweiter Wahl.
„Das Voortrekker Monument ist unser eigen“, wettert AWB -Führer Eugene Terreblanche, ein wortgewaltiger, leidenschaftlicher Redner. In Zukunft werde das „wahre burische Volk“ seine Wagenburg erneut aufbauen, um gegen diese Regierung, die „sich nicht um unsere weiße Nation schert“ zu kämpfen. „Und wenn die Stunde anbricht, werden wir auch militärisch bereit sein“, ruft Terreblanche, umgeben von seiner bewaffneten Leibgarde bulliger Buren in Khaki-Uniform. „Dieses Land ist zur Zivilisation gezwungen worden von den Buren, dem Davidsvolk, von Gotteshand aus den weißen Völkern der Erde ausgesucht.“ Wie David hätten die Buren den Goliath der schwarzen Völker Afrikas nur mit Steinen überwunden. „Und unsere Regierung gibt die Freiheit unserer Volksgenossen mit einem Federstrich auf“, empört sich Terreblanche.
Während der feurige Führer der Neonazis die Ultrarechten in Rage bringt, spricht Botha selbst am Voortrekker Monument kühl räsonierend von der Notwendigkeit der Eintracht aller Rassen in Südafrika. Diese regierungsamtliche Feier ist zweifellos größer, aufwendiger, glatter organisiert als die CP-Feier. Dennoch ist Botha seiner Sache offenbar nicht ganz sicher. Die Spaltung der Buren, die seine Machtbasis unter weißen Wählern in Gefahr bringt, erwähnt Botha mit keinem Wort. Und daß gestern gleich drei Bomben in Kapstadt explodierten, um gegen die Apartheid zu protestieren, blieb auch unerwähnt. „Die Welt denkt, daß die Buren so schlecht wie Tiere sind“, sagt er. „Man fordert von uns, daß wir den Kopf unseres Volkes auf einem silbernen Tablett servieren. Man will uns als Sündenbock opfern.“ Deshalb sei die Einheit aller Südafrikaner so wichtig. „Wir müssen zusammenstehen und zusammenarbeiten“, fleht der Staatspräsident. Diese Arbeit müsse jedoch auf der „Grundlage der Gerechtigkeit“ geschehen.
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