Seh'n oder Nichtseh'n

■ ZDF: „Wir stellen uns: Ewig diese Wiederholungen“. Moderation: Frank Elstner

Das war aber mal ganz, ganz reizend: Der Onkel Programmdirektor vom ZDF, Oswald Ring, hat ein halbes Stündchen von seiner kostbaren Zeit abgezwackt, um sich achtundzwanzig Lesern der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ zu stellen. Die stöhnen schon lange: „Ewig diese Wiederholungen“, und so kam eine „AAZ„-Redakteurin auf die Idee, ein Häuflein aus Unzufriedenen zu bilden. Voraussetzung: Zu unzufrieden dürfen sie nicht sein. Das wäre nicht höflich, wäre gar nicht nett dem reizenden Onkel Ring gegenüber. Zweite Voraussetzung: Sie müssen ein ganz klein bißchen doof sein, nicht schlimm, aber gerade und eben so, daß sie nicht merken, wenn sie der Onkel auf den Arm nimmt. Und natürlich - ein flegelhaftes Schulmädchen hatte sich dann doch in die Runde hineingeschmuggelt. Eine, die frech ein triftiges Argument des Programmdirektors auf den Kopf gestellt hat. Er klagte alle naslang über die miserablen Finanzen des ZDF, und da fragte doch diese dreiste Göre, ob die Zuschauer mit den vielen Wiederholungen zuerst fuchtig gemacht und dann gebührenerhöhungsbereit geklopft werden sollten.

Oh, da mußte aber der propere Frank Elstner seinem Programmdirektor helfen: Der sagte „nein, so ist das nicht“, doch das kleine Luder war noch gar nicht fertig. Sie wollte eine zweite Frage stellen - „Nein, das geht jetzt nicht. Die anderen wollen auch“, schniegelte Elstner. Nur daß die anderen wortklaubenden Muttis und Vatis nach Herzenslust weiterfragen durften.

„Wir würden ja gerne, das können Sie mir glauben, mehr klassische Musikübertragungen senden. Aber das Publikum estimiert das nicht, sagte Herr Ring. Schon war der Runde klar: Der Mann ist hochgebildet. Und nett, so nett. Denn er sagte auf jede Frage: „Da haben Sie ganz recht, und ich werde es mir zu Herzen nehmen, ich werde das nach Mainz mitnehmen, was Sie da eben sagten.“ Was nimmt er jetzt mit nach Mainz? Daß einer aus der Runde endlich „Die Schatzinsel“ wiedersehen will; eine andere „Die Trapp -Familie“: „Ruth Leuwerik sieht man ja nie“. Wieder ein anderes Muttchen ist scharf auf „diesen englischen furchtbaren Geizkragen von Charles Dickens“, und eine ältere Dame: „Wissen Sie, früher hatten wir ja notgedrungen kein Geld und kein Fernsehen. Aber alle reden von der Familie Schölermann. Die will ich auch mal sehen.“ Das geht gewiß nach Mainz.

„Wer entscheidet eigentlich über das Programm?“, fragt jemand. „Die Redaktionen“, salbadert Ring, „die machen Vorschläge, und über die wird dann entschieden.“ „Danke“. Und keiner getraut sich nachzufragen: „Ja wer denn nun? “ Nein, alle haben Verständnis für die Probleme eines Programmdirektors, der „weit entfernt“ ist vom Rechnen mit Einschaltquoten. „Der Respekt vor dem Publikum gebietet es, daß wir auch Unterhaltungssendungen machen. Aber sie müssen wertvoll sein.“ Politisch, meint Herr Ring, seien die Zuschauer des ZDF „gut bedient“. Und als jemand wissen will, ob sich eigentlich ARD und ZDF in ihrer Programmplanung absprächen - es gäbe doch so oft Überschneidungen - sagt Ring, pastoral den Blick nach oben: „Selbstverständlich. Und sehen Sie: Wenn wir uns dann doch eventuell mal schlecht abgesprochen haben - dann ist es doch gut, wenn es dafür Wiederholungen gibt.“ 'Eigentlich auch wahr‘, dämmert es auf den Gesichtern, und fortan nehmen wir unverdrossen x-fach -Wiederholungen hin - weil sie doch nur in unserem Interesse sind.

Sybille Simon-Zülch