: UTZ: Bruce Chatwin
Eine mitteleuropäische Geschichte, geschrieben von einem Engländer aus Sheffield. Bruce Chatwins „Utz“ ist ein Kauz, einer, der seine Pozellansammlung durch die Prager Geschichte dieses Jahrhunderts gerettet hat. Ein ehemaliger Baron, der nicht nur wegen seiner jüdischen Großmutter sich vor den Nazis in acht nehmen mußte und nach der kommunistischen Machtergreifung seine mehr als eintausend kostbaren Porzellanfigürchen in einer Zweizimmerwohnung unterbrachte. Chatwin skizziert diesen Sammler liebevoll, ein wenig spöttisch, traurig darüber, daß diese Spezies, nachdem sie allen Verfolgungen und Nachstellungen unglücklich zwar doch immerhin entkommen ist, nun doch einfach still ausstirbt. Seine Erzählung ist ein hohes Lied auf die Patina, eine leise, aber deutliche Kriegserklärung gegen die Welt der Weißen Riesen und die Blitzblank -Mentalität der Allzweckreiniger. Der ehemalige Sotheby's -Angestellte kennt die Welt, von der er schreibt, aber er ist der Versuchung erlegen, Nostalgie durch Nostalgie zu erzielen. Die Sehnsucht nach einer Welt, in der es so gesittet zugeht wie unter Meißner Porzellanfigürchen, wird im Leser nicht mehr erzeugt, wenn der Autor sie schon so massiv herausgestellt hat. Man spürt die Absicht... Die Erzählung wirkt gewollt, fabriziert, angestrengt künstlich. Auch die Ironie nichts als ein Zitat. Schöne Einfälle darin, kleine Geschichten in zwanzig Zeilen wie die vom Zwerge sammelnden Scheich oder den drei Männern im Feuerofen Nebukadnezars, die natürlich Porzellanfiguren waren, aber sie liegen herum wie Zitronatbrocken im Kuchen, haben sich nicht mit der Erzählung verbunden: Trümmer. Sicher, Chatwin ist auch da, wo ihm etwas mißglückt, immer noch besser als die meisten, denen ihre Vorhaben glücken. Ich warte auf die Übersetzung von „The Songlines“
Bruce Chatwin, Utz, aus dem Englischen von Anna Kamp, Carl Hanser Verlag, 167 Seiten, 26,-DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen