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„Keine Quotenfrau“

Die Münchner Löwen und ihre Präsidentin  ■  PRESS-SCHLAG

Ziemlich genau vor einem Jahr ereignete sich Sensationelles in München und zugleich Einmaliges in der Fußballszene. Eine Frau trat an die Spitze eines der traditionsreichsten Fußballvereine der Republik. Lieselotte Knecht übernahm die Chefrolle beim TSV 1860, der zuletzt 1966 Deutscher Meister wurde. Der Vereinsrat, der sie nach dem Rücktritt von Karl Heckl zur Präsidentin der Münchner Löwen ernannte, sah in der 62jährigen Hausfrau, die zuvor als Frauenwartin (Knecht: „Die Alibifrau“) und dann als Vizepräsidentin fungierte, allerdings nur eine Übergangslösung. Lieselotte Knecht sollte einen geldschweren Heckl-Nachfolger suchen und dann wieder ins zweite Glied zurücktreten.

Einige Wochen suchte die „Interimspräsidentin“, so der Jargon der Münchner Presse ihren „geldpotenten Nachfolger“, doch sie blieb erfolglos. „Auch seriöse Interessenten kamen sofort mit ihrer PR-Abteilung und wollten mit unserem Verein Geschäfte machen. In mir entwickelte sich eine starke Abneigung, unser Präsidentenamt meistbietend zu verkaufen“, erinnert sich die gebürtige Wiesbadenerin, die 1960 an die Isar kam. Im November wurde sie dann offiziell für zwei Jahre gewählt.

Verstummt waren bald die skeptischen Stimmen, die einer Frau als Präsidentin der Löwen nicht viel zutrauten. „Wenn eine Frau etwas kann, wird sie geachtet. Ich bin keine Quotenfrau“, sieht sie sich keineswegs im aktuellen Trend der Frauenemanzipation.

Obwohl Lieselotte Knecht einige Funktionärserfahrung mit in ihr neues Amt einbringen konnte - sieben Jahre lang war sie Bundesfachwartin für Rhythmische Sportgymnastik - ist die Führung eines Vereins, auf dem der leidenschaftliche Erwartungsdruck seiner zahllosen Fans in München, Bayern und anderswo lastet, eine vollkommen andere Aufgabe. So rufen auch im siebten Jahr der Bayernliga Löwen-Anhänger aus Dänemark oder den Niederlanden schon in der Halbzeit im Stadion an der Grünwalder Straße an und erkundigen sich nach dem Spielstand.

Trotz 17 weiterer Amateurabteilungen heißt die Priorität bei den Löwen Fußball, Fußball und noch einmal Fußball. Lieselotte Knecht hat diese Vorgabe akzeptiert und handelt danach. Die Fußballer sind im Neuaufbau. Die Fans scheinen damit einverstanden. Jedenfalls bis jetzt. Trainer Willi Bierofka, der das Team zu Saisonbeginn übernahm und von 1971 bis 1978 selbst Profi bei den Löwen war, verjüngte die Mannschaft insgesamt auf ein Durchschnittsalter von 23 Jahren. „Einen gesicherten Mittelplatz“ gab er als Saisonziel aus. Doch schon in der nächsten Spielzeit ist die 2. Bundesliga bereits wieder im Visier. „Wir dürfen unsere treuen Fans nicht überstrapazieren. In spätestens zwei Jahren müssen wir wieder nach oben“, schätzt Lieselotte Knecht den Druck von außen realistisch ein.

Sie ist gerade dabei, die Finanzen („Die 700.000 Mark Schulden werden jährlich wie geplant um 100.000 abgebaut.“) für 1989/90 zu sichern, denn Willi Bierofka will sein Team gezielt verstärken. 160.000 Mark wird der Sponsor, eine Möbelfirma, beisteuern. Uli Hoeneß vom großen Nachbarn dürfte da nur lächeln. Der momentane Zuschauerschnitt liegt jedoch mit 10.000 doppelt so hoch wie erwartet. Knecht: „Damit sind wir schon längst zweitligareif.“

Karl-Wilhelm Götte

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