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DDR-Parteien zu Nicaragua

Eine Umfrage im Berliner Haus der Demokratie / Prof. Jens Reich (Neues Forum) für weitere Unterstützung der nicaraguanischen Bevölkerung / DA will lediglich gleichberechtigte Wirtschaftsbeziehungen  ■  Von Olaf Kampmann

Berlin (taz) - Solidarität mit dem Nicaragua der Sandinisten - über zehn Jahre lang herrschte darüber in der DDR ein weitgehender Konsens. Selbst der teilweise kriminelle Umgang mit Spendengeldern durch die herrschende SED änderte daran nichts. Nun wurden die Sandinistas abgewählt. Was für Konsequenzen ergeben sich daraus für die politischen Parteien und Vereinigungen in der DDR? Die taz startete eine Blitzumfrage im Berliner Haus der Demokratie.

Der Vertreter der Grünen Liga wollte eine direkte - wie er sich ausdrückte: politische - Wertung nicht vornehmen. Die Liga sei unabhängig und parteiübergreifend und somit zu einer parteilichen Stellungnahme nicht berufen. Bedeute jedoch der Sieg des konservativen UNO-Bündnisses eine Salvadorianisierung Nicaraguas, so wäre dies zu bedauern. Liefe es doch letztlich darauf hinaus, daß das Land auch in ökologischer Hinsicht mehr denn je zum Hinterhof der USA degradiert werde würde. Die Grüne Partei hingegen wurde konkreter und bedauerte den Ausgang der Wahlen; wies aber gleichzeitig darauf hin, daß es erst durch die Politik der Sandinisten möglich wurde, einen fairen Urnengang zu vollziehen.

Der gleichen Meinung war der Vertreter der Initiative für Frieden und Menschenrechte. Reinhard Weißhuhn: „So bedauerlich es ist, daß Ortega den Rechtsgerichteten unterlag - so hoch ist es anzuerkennen, daß der bisherige Präsident des mittelamerikanischen Landes das Wahlergebnis ohne Wenn und Aber akzeptierte.“ Dies könne dazu beitragen, dem Land endlich den so bitter nötigen Frieden zu geben.

Vertreterin des UFV nicht glücklich über Präsidentin

Den Aspekt des nun hoffentlich zu Ende gehenden Bürgerkrieges hob auch die Vertreterin des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV) hervor. Trotzdem sei es bedauerlich, daß es nun auch in Lateinamerika - von Kuba vielleicht einmal abgesehen - keine Alternative mehr zur „Herrschaft des Kapitals“ gebe. Da spielte es auch nur noch eine untergeordnete Rolle, daß es eine Frau sei, die jetzt in den Präsidentenpalast von Managua einzieht. Trotzdem - oder gerade deshalb wolle man auf der nächsten Tagung des Koordinierungsrates des UFV darüber beraten, wie man künftig den nun sicher unter noch komplizierteren sozialen Bedingungen lebenden Frauen Nicaraguas zur Seite stehen könne.

Eine gleiche Grundeinschätzung der Situation - wenn auch mit unterschiedlicher Wertung - nehmen der konservativ -liberale Demokratische Aufbruch und das Wahlbündnis Vereinigte Linke / DIE NELKEN vor. Der DA wie die VL sehen in der Niederlage Ortegas eine Bestätigung des weltweiten Trends, der die sozialistische Idee auf dem Rückzug sieht. Der Demokratische Aufbruch versteht die Niederlage der FSLN in erster Linie als das „Ergebnis einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die mit aller Konsequenz in die Katastrophe führen mußte“. Jetzt erst - und das nicht zuletzt mit der tatkräftigen Unterstützung der Vereinigten Staaten - sei ein spürbarer wirtschaftlicher Aufschwung zu erwarten. Solidarische Hilfe für das mittelamerikanische Land soll es schon deshalb seitens der DDR nicht mehr geben. Angestrebt werden sollten dagegen „gleichberechtigte Wirtschaftsbeziehungen“.

Auf massiven nordamerikanischen Einfluß während des Wahlkampfes verweist das Bündnis VL/DIE NELKEN. Gerade deshalb sollte man jetzt „mit der Solidarität zugunsten der sich in einer äußerst schwierigen Lage befindlichen Sandinistas“ nicht nachlassen.

Professor Jens Reich vom Neuen Forum sprach von einem bedauerlichen Ergebnis. „Trotzdem bin ich aber dafür, die Hilfe für die Menschen dort fortzusetzen - das Krankenhaus 'Carlos Marx‘ auch weiter zu finanzieren. Außerdem - auch in Nicaragua ist in Sachen Demokratie noch nicht aller Tage Abend“.

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