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Die andere Zeitung ist tot

■ Neues Medienprojekt scheiterte an altem Denken / Initiative zur Verteidigung der Presseerzeugnisse gegen den Ansturm der BRD-Monopole gegründet

Während an verschiedenen Stellen gestern West-Zeitungen zu horrenden Preisen verkauft wurden, hat der Informationsdienst der Regierung der DDR klargestellt, daß der Eigenvertrieb von Zeitungen gesetzlich nicht erlaubt ist. Die BRD-Verleger hatten dies für den kommenden Montag angekündigt. (vgl. taz 1.3.)

Der Informationsdienst der Regierung der DDR erklärte, daß der Großvertrieb von Zeitungen und Zeitschriften aus der BRD und Berlin (West) außerhalb des Postzeitungsvertriebes „gesetzlich noch nicht geregelt“ sei. Nach einem Beschluß der Volkskammer vom 5.2.1990 ist der Eigenvertrieb durch die Herausgeber nur für DDR-Presseerzeugnisse zulässig.

Ein Produkt der neuen Zeitungszeit, „Die Andere Zeitung“, hat derweil gestern ihre letzte Nummer mit einem „Nachruf“ herausgebracht. Die Redaktion erklärt darin, daß dieses Zeitungsprojekt gescheitert sei. „Wir wollten eine ANDERE Zeitung machen“, heißt es wörtlich in dem Nachruf. „Eine unabhängige Zeitung. Kein Organ. Keine Partei. Es war nicht möglich.“

Herausgeber, Verlag und die Mehrheit des Beirates, in dem Vertreter verschiedener Gruppen wie Neues Forum, Vereinigte Linke oder Unabhängiger Frauen-Verband sitzen, hätten eine „kämpferische“ Zeitung haben wollen. „Was wir erlebt haben, war hineinreden, hineinredigieren, Intoleranz, Anmaßung und Bevormundung. Im alten Stil. Im gleichen Ton wie früher. Mit den gleichen Methoden.“ Was besonders daran geschmerzt habe, sie die Tatsache, daß es „die eigenen Leute, die politischen Freunde“ gewesen seien, „die uns so begegnen“.

Eine Redakteurin erklärte gegenüber der taz, der „leise Ton“ sei bei den politischen Gruppen nicht gefallen. Die daz -Redaktion wollte aber eine Stimmunglage treffen, die „bestärkt und ermutigt durch gemeinsame Trauer“. Auch daraus könnte ein Gefühl von Solidarität entstehen, kämpferische Töne seien nicht angemessen angesichts der Entwicklung seit dem November 1989: „Wir sind alle mit einem anderen Ziel aufgebrochen.“

Auch die Verlage der DDR beginnen sich gegen die Westdeutschen Monopol-Betriebe zu wehren (siehe Dokumentation). Am 24.2. schon hat sich in Vogelsdorf bei Berlin der „Verein zur Förderung eines unabhängigen Vertriebs von Presseerzeugnissen in der DDR“ konstituiert. Der Verein hat die Zielsetzung, einen freien, mittelständisch strukturierten Pressevertrieb der DDR vorzubereiten. Die gerade gewonnene Pressefreiheit drohe unter der Marktmacht eines neuen Monopols zu ersticken, heißt es in einer Mittelung des neuen Vereins.

K.W.

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