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Wahl in Gefahr - die Kandidaten bangen

Zuwenig Wahlvorstand gleich zuwenig Wahlverstand? Wahlnotstand!  ■ G A S T K O M M E N T A R E

Der Berliner Runde Tisch stellte am 1. März (17 Tage vor Ultimo) fest, daß von 7502 erforderlichen Wahlhelfern erst 2065 gewonnen wurden. Ein dringender Aufruf mitzuhelfen, ereilte alle demokratisch gesinnten BürgerInnen. Im Kietz Prenzlauer Berg geht's - zwei Drittel der Helfer sind gefunden, im Klotz Marzahn geht nichts - nur 3 Prozent machen mit, im Protz Pankow schlappe 5 Prozent der nötigen Wahlvorstände bisher dabei. Lohnt wohl nicht, keine Mark, geschweige denn D-Mark zu machen. Keen Blumtopp zu jewinn‘, höchstens einen mißtrauischen Blick (saß der nicht schon letztens hier..?).

Zwar wollen viele gewählt werden, aber dafür sorgen, daß der Urnengang nicht schon vorab begraben werden muß, wollen zu wenige. Es gibt bald mehr Kandidaten auf dem Sessel des Ministerpräsidenten als für die harten Stühle im Wahlvorstand. Haben wir im Oktober die Demokratie eingewendet, um sie jetzt nicht auch anzuwenden? Oder ist dem mündigen Bürger bei den vollmundigen Reden der Wahlkämpfer von Hüben und Drüben der Appetit vergangen. Mir schlägt es auch auf den Magen. Also nehmen wir doch die Kohl, Vogel und Haussmänner, die alle vorgeben, uns nur helfen zu wollen, endlich mal beim Wort. Wenn sie ohnehin lieber durch unser Land tingeln, können sie auch am 18. still hinter dem Tisch des Wahlvorstandes sitzen, als jetzt auf den Tischen stehend große Reden zu halten. Sie könnten sich nützlich machen, wozu Politiker ja eigentlich da sind.

Also wenn mir Graf Lambsdorff am 18. freundlich lächelnd die Wahlbenachrichtigung entgegenreicht, könnte ich den Liberalen auch freundlicher kommen. Und wenn mir Willy Brandt am Wahltag die Hand schüttelt, verstehe ich sogar alle böhmischen Dörfer, oder dreht mir ein Typ von der Al seine Selbstgedrehte an, seh‘ ich gleich auf einem Auge grün. Sollte mich am Wahltag gar Frau Wilms empfangen, wäre ich total sprachlos und müßte meine Stimme erstmal wiederfinden, bevor ich sie dann schnurstracks abgeben könnte. Das wäre eine Wahl. Wahlsinn!

Uwe Meyer

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