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„Miracoli“: Die italienische Wahrheit über Jesus

Francesca de Martin hatte Premiere mit „Miracoli“ („Wunder“) / Empfehlenswerte Mischung aus Dario Fo und der Phantasiesprache Gamlot  ■  Von Kerstin Dreyer

Jeder gebildete Mensch weiß doch heutzutage aus der Fernsehwerbung, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand kommt, wenn „Kinder-Mittagessen“ gerufen wird. Wir alle wissen, daß Mutti „Kinder-Miracoli“ rufen muß. Klaro. Wurde auch Zeit, daß endlich mal jemand diesen Werbetrick im Theater anwendet.

Francesca de Martin tat diesen revolutionären Schritt und alle kamen. Viele hatten am Freitag abend in den Schlachthof auch ihre Kinder mitgebracht. Lauter nette Pappis und Mammis in bunten Hosen, einen lustigen Schal um den Hals. Die Kleinen hoppsten in der Pause lustig von der Bühne hinab, wärend Mammi, die gesunden Latschen neben sich gestellt, gutgelaunt mit den lila besockten Zehen wippt.

Ja, das ist Italien, wie wir es lieben.

Francesca de Martins „Miracoli„-Premiere war gelungen und wurde mit viel Beifall und fast noch mehr Blumensträußen belohnt. Die äußerst geschmackvolle Kombination aus Dario Fo und Gamlot (einer lautsprachliche Phantasiesprache), gewürzt mit dem geheimnisvollen Charme italienischen Temperaments pronto e buon appetito.

Francesca de Martin hat es sogar fertiggebracht, uns glauben zu lassen, wir würden Dario Fo im Original verstehen, indem sie nur stellenweise einzelne Wörter oder Passagen ins Deutsche übersetzt hat. Das müssen dann wohl auf jeden Fall die Richtigen gewesen sein, denn es schien, als sei uns nichts entgangen. Wir haben voll erfaßt, daß der Gottessohn Jesus „Die Hochzeit von Kanaa“ nur deswegen gerade noch rechzeitig vor einer Katastrophe gerettet hat, weil er das Wunder geschehen ließ, den Wein, der zu Essig geworden war, wieder zu

Wein zu machen.

Genauso wie die Tatsache, daß Jesus nur deshalb ständig Wunder vollbringen mußte, weil sonst keiner mit dem kleinen Asyl-Palästinenser hätte spielen wollen, während die Madonna auf Arbeit war. Da wird uns doch so manches aus seiner Persönlichkeitsstrucktur, anhand seines Sozialisationsprozesses klar, nicht wahr? Wo wir schon beim Ausländerproblem sind, auch hier wurde uns die rosa Brille in Bezug auf die Eintracht der heiligen drei Könige aufs schmerzlichste genommen. Zwei Weiße und ein Schwarzer, das kann ja gar nicht gutgehen.

Die Hirten von Jerusalem brachten dem Jesuskinde übrigens nur deshalb so viele Geschenke, weil sie damit den tieffliegenden verkündenden Engels besänftigen wollten, denn seinen Fluglärm hatten sie einfach nicht mehr ertragen können.

Abschließend muß aber doch

bemerkt werden, was für ein Miracolo (Wunder, singular) Francesca de Martin bewirkt hat. Ein amüsanter Abend in italienischer

Sprache mit Lernerfolgen, das mach ihr mal jemand nach.

Die nächsten „Miracoli„-Veranstaltungen von de Martin finden am

sechsten und siebten März jeweils um 20.30 Uhr im Schlachthof statt. Kinder und bunte Schals sind mitzubringen.

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