piwik no script img

Standbild: Das Fegefeuer am Samstag

■ Wetten daß...?

(Wetten daß...? ZDF, 20.15 Uhr) Oh Gott, nein... tu mir das nicht an. Ich weiß, ich bin ein Sünder... und ich hätte mir eben nicht diesen fetten Joint reinziehen und nicht wieder vor der Glotze hängenbleiben sollen. Aber, Herr Gott noch mal, dies ist einfach zuviel für mich. Jahrelang habe ich mich vor ihm gedrückt, bin ihm aus dem Wege gegangen, habe ihn wie Satan gemieden.

Und nun. Der Mann trägt ein Leopardenfellimitatkostüm und ist glänzender Laune. Blonde Haarsträhnen fallen ihm wirr in die fliehende Stirn, darunter stößt ein gewaltiger Riechkolben hervor, und dann dieses riesige Schimpansenmaul... Der leibhaftige Thomas Gottschalk wickelt zwei Stunden lang sein gotteslästerliches Programm ab, und Abermillionen sittlich ungefestigte Zuschauer sitzen gebannt vor dem Bildschirm.

Im letzten Monat hat er einen deutschen Bischof verführt und am Aschermittwoch ein lebhaftes Interesse am christlichen Glauben bekundet. Aber siehe, Herr: Eitel sind seine Worte und voller Hohn. Tatsächlich frönt er der übelsten Wettleidenschaft und Triebhaftigkeit. Völlig zerrüttete Menschen gewinnt er für sein Tun: Einen Schweizer Fahrlehrer, der in eine winzige Parklücke einparkt, einen verschüchterten Computerfreak, der 12.000 Telefonnummern auswendig kennt, abgedrehte Beatles-Adepten... Wo soll das enden? Was bringt er morgen an? Katholische Ordensschwestern, die Dildos sammeln? Christdemokratische Politiker in den Klauen eines mörderischen Cracktrips?

Grauenvoll genug die Prominenten, die er heute auf sein Sofa setzt. Georg Thomalla mit einem debilen Kreischlachen. Mickey Rourke, den Brillantineaffen. Und Frank Elstner, mit dem diese ganze Furcht-und-Schrecken-Show begann. Und grundgütiger Herr, laß diesen Kelch an mir vorübergehen, nein, laß mich den Lautstärkenregler bis zum bitteren Anschlag drehen: Stefan Waggershausen singt im Duett mit Victor Lazlo „Das erste Mal tat's noch weh“, ein schweinisch aufgeilendes Lied... „mit deinen französischen Tricks kriegst du mich wieder rum.“ Unschuldige Kinder im Publikum! Bis heute fromme bayrische Ehepaare geraten in ernste Wallungen!

Mein Gott, ich muß mir unbedingt noch einen Joint bauen. Und dann sehe ich deutlich, wie Thomas Gottschalk sich an alle anwesenden Frauen heranmacht, sie angrabbelt und abknutscht, sein Gesicht ist lippenstiftverschmiert. Hier wird öffentlich-rechtlich Unzucht gepredigt und vorgeführt, hier wird gewettet und gesündigt.

Warum schreitest Du nicht ein, Herr im Himmel? Oder ist dies ein kleiner Vorgeschmack auf die Qualen, die wir Sünder in der Hölle zu gewärtigen haben? Oh nein, Herr, tu mir das nicht an. Ich will auch immer brav und artig sein. Laß mir nie wieder Thomas Gottschalk auf dem Bildschirm erscheinen.

Olga O'Groschen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen