: Streik als Machtkampf
■ Die AL, acht Wochen KiTa-Streik und der Machtkampf der Gewerkschaft
Während in Berlin fieberhaft an den Konturen der künftigen Hauptstadt und des Landes Brandenburg gearbeitet wird, während Notfallpläne vorbereitet werden für den Fall, daß in Ost-Berlin und Umland die Infrastruktur zusammenbricht, gibt es wenigstens eine Konstante - den KiTa-Streik. Er geht schon in die achte Woche. Jetzt hat sich die AL so eindeutig auf die Seite der Streikenden geschlagen, daß nunmehr endgültig der Streik die Koalitionsfrage berührt. Ein allmählich bedrückender Streik, nicht nur wegen der Lage der hilflosen Eltern zwischen den Fronten - bedrückend wegen der Sturheit beider Seiten. Dieser Streik hat zwei Inhalte: die berechtigten und von niemand bezweifelten Forderungen der Erzieherinnen, im Kern die Forderung nach einem Personalschlüssel, der überhaupt eine Gruppenarbeit garantiert. Es ist nicht zu übersehen, daß die Erzieherinnen jahrzehntelang - während der ganzen Zeit der CDU-Regierung allzu duldsame Stiefkinder des öffentlichen Dienstes waren. Einerseits. Andererseits war es von Anfang an ein Grundsatzkonflikt, mit dem Notstand in den KiTas als Treibsatz. Die ÖTV will nicht nur einen besseren Personalschlüssel, sie will auch einen Tarifvertrag, der ihn auf Dauer sichert. Es geht um die Signalwirkung und die Pilotfunktion. Berlin soll die Bresche sein, erklärte ÖTV-Chefin Wulf-Matthies schon vor Monaten, um dann in den anderen Bundesländern auch Tarifverhandlungen zu erzwingen.
Nun hat es die Gewerkschaft geschafft, daß das Grundätzliche dieses Streiks offenbar ist: der Machtkampf von Gewerkschaft und rot-grüner Regierung. Zeit also, grundsätzlich zu werden: Der Tarifvertrag ist ein Eingriff ins Budgetrecht, immerhin das vornehmste Recht des Parlaments. Er ist auch ein Stellvertreterkrieg. Die Gewerkschaften verweisen zwar auf einen 5-Punkte-Plan, in dem sie versichern, daß ein Tarifvertrag kein Präjudiz für die anderen öffentlichen Dienste sein und auch nicht als Eingriff ins Budgetrecht verstanden werden soll. Aber das sind ja nur verbale Versicherungen.
Wenn die Gewerkschaften strategisch auf eine SPD (AL) Regierung zielen, dürfen sie sich kaum wundern, wenn die Regierung strategisch reagiert. Momper weiß genau, daß seinerzeit sein sozialdemokratischer Vorgänger Stobbe wegen des BSR-Streiks stürzte. Er wäre selbstmörderisch, wenn er in dieser Zeit, in dieser Stadt auch nur den Anschein eines Gewerkschaftsstaates zulassen würde. Er weiß auch, daß er letztendlich gewinnen wird. Letztendlich. Auf jeden Fall ist der Streik jetzt schon bis zum Gesichtsverlust zugespitzt. Es geht nicht mehr um den Mißerfolg in einer Einzelfrage, sondern um die Niederlage. Sicher ist, daß am Ende immer weniger von den Erzieherinnen und ihren Forderungen - die doch im allgemeinen Interesse liegen - geredet werden wird, wenn nicht sofort eine Auffangposition vorbereitet wird. Dazu müßte auch der Senat beitragen, der ja an einer Niederlage der Streikenden nicht interessiert sein darf, gerade dann nicht, wenn sie nunmehr so leicht mit dem Spiel auf Zeit erreichbar ist. Die Gewerkschaften jedoch müssen begreifen, daß man heutzutage nicht einen Arbeitskampf im Stile eines Generals Falkenhayn gewinnen kann, der mit möglichst viel Menschenmaterial die Festung Verdun erobern wollte, um dann die Front zu brechen. „Materialschlacht“ wurde das dann später euphemistisch genannt.
Klaus Hartung
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