: Schnur in der Radarfalle
■ Aus einem Protokoll der Verkehrspolizei
Am Nachmittag des 20. Februar 1990 führte die Verkehrspolizei auf der Autobahn eine Geschwindigkeitskontrolle durch. Lesen wir im Protokoll eines Hauptwachtmeisters (Name ist der Redaktion bekannt) aus dem VPKA Bitterfeld, was sich gegen 15,14 Uhr am Kilometer 98 (nahe Raststätte Kökkern) zutrug:
„Das Radar-Kfz gab einen Pkw VW-Santana (Passat, d. Red.), Kennzeichen AJ 89-80 mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 151 km/h zum Protokoll-B 1000 durch.
Nachdem das Fahrzeug vom Anhalteposten auf den Parkplatz herausgewinkt worden war, begab ich mich zum festgestellten Kfz. Ich stellte mich dem Fahrzeugführer laut Dienstvorschrift vor, kam aber nur bis zur Dienststelle, da der Beifahrer schon zu diesem Zeitpunkt neben mir stand und seinen Reisepaß und seinen Dienstausweis „Ministerium für Justiz“ auf den Namen Schnur übergab. Ich kontrollierte diese Papiere und erklärte dem Herrn Schnur, daß es keine Privilegien oder Sondergenehmigungen mehr gibt. Darauf antwortete er: 'Das weiß ich, aber ich habe es eilig‘. Ich wandte mich dem Fahrzeugführer zu. Ich forderte alle Dokumente ab und prüfte diese. Dabei stellte sich heraus, daß es sich um Herrn Schnur, Matthias, geboren am 9. 5. 1968, handelte. Ich erläuterte ihm seine begangene Ordnungswidrigkeit und teilte ihm mit, daß sein Führerschein vorläufig einbehalten wird. Dazu äußerte er sich nicht.
Ich begab mich nun zum B 1000, worauf mir der Beifahrer, Herr Schnur, folgte ... Er wollte den Verantwortlichen des Einsatzes sprechen ... Ich hörte, wie der Beifahrer, Rechtsanwalt Schnur, sagte: 'Ich muß schnell nach Erfurt, dort wurden Leute zusammengeschlagen. Ich werde dort dringend gebraucht‘. Darauf stellte der Obermeister die Frage, wo das genau sei, man hätte Funkmittel und könne das sofort nachprüfen lassen. Darauf antwortete der Rechtsanwalt Schnur: 'Es ist nicht, aber es könnte sein‘. Danach machte er weitere Äußerungen wie 'Sie werden großen Ärger bekommen. Könen Sie nicht schneller machen? Das habt Ihr nicht umsonst gemacht‘. Der Verantwortliche erläuterte, daß das Schreiben von Vordrucken notwendig sei, und es eine gewisse Zeit braucht ...“
(Vollständige Fassung der „Freiheit“ Halle vom 3. 3. 90)
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