: Die Ökolöwen in Hannover los
■ Deutsch-deutsches Umwelttreffen der Basis: Die Leipziger Ökolöwen waren in Hannover /„Hier geht alles streng basisdemokratisch zu“ /Gastgeber wollte den erhobenen Zeigefinger vermeiden
Hannover (taz) - Deutsch-deutsches Treffen ohne Nadelstreifen und auch ohne jede Sentimentalitäten, daß gibt es nicht gerade häufig in diesen Tagen. Hannover hat es dennoch erlebt an diesem Wochendende, der Ökolöwe (Umweltbund Leipzig) war mit reichlich 200 Leuten hier angerückt.
Die Geschichte hat mehrere Vorgeschichten. Zum Beispiel die des Ökolöwen überhaupt. Als er kurz nach der Wende das Licht der Welt erblickte, war das zunächst nicht viel mehr als der Zusammenschluß einiger Umweltgruppen aus dem Kulturbund und aus dem Jugendpfarramt Leipzig. Das bis zu jener Zeit notwendige schützende Dach der Kirche war für die einen im November überflüssig geworden, die anderen fanden die Enge des Kulturbunddaches als unerträglich - also setzte man sich zusammen und fand Satzung und Namen einer einheitlichen Truppe für die an Umweltproblemen ja so reiche arme Stadt.
Roland Quester, seit Gründung der AG Umweltschutz beim Jugendpfarramt mit dabei, ist einer der führenden Köpfe des Ökolöwen - was er gar nicht so gern hört, denn natürlich geht es hier alles streng basisdemokratisch zu. Aber schließlich gehört er zu jenen, die schon seit einigen Monaten Kontakte zur Hannoveraner GABL (Grüne Alternative Bürgerliste) suchten und fanden. Einen Tag nach der Geburt des Ökolöwen war er in der Partnerstadt, und die Idee der Leipziger Umwelttage in Hannover nahm erste Gestalt an.
Berührungsängste zwischen der grünen Basis-Ost und -West sind sicher nicht zu erwarten gewesen, wohl aber Nachholebedarf an Kenntnis über Sorgen und Möglichkeiten der jeweils anderen Seite. Also standen Infos und Gespräche ganz oben im Tagesplan. Man war zwar aus den Medien schon allerhand gewohnt zu hören über die Zustände der Umwelt, aber die Großfotos, Briketts aus „Blumenerde“, ein Glas mit Taubenzecken oder die persönlich geschilderte Betroffenheit über Dauersmog und Verantwortungslosigkeit, war für viele Hannoveraner dann doch eine schaurige Sache - sofern sie bislang noch nicht selbst die Reise ins Braunkohlenland gewagt haben.
Sylvia Hesse ist von Hannoveraner Seite so etwas wie Roland Quester in Leipzig - bei ihr liefen die tausend Organisationsfäden für das Treffen zusammen. „Seit wir im November die Leipziger eingeladen haben, rödeln wir herum, aber es hat auch einen Riesenspaß gemacht. Und für unsere Gruppen, die manchmal gar nicht so viel Kontakte miteinander finden, hat das Ganze auch einen ungeheuren Schub ausgelöst.“
Eines wollten die Gastgeber auf jeden Fall vermeiden: Den erhobenen Zeigefinger des Schulmeisters. Weitgehend ist das auch gelungen, man hat in den Arbeitsgruppen, die von Öko -Ernährung über Energie, Luft und Wasser bis hin zur Umwelterziehung reichten, tatsächlich einander Zuhören gelernt und für Leipzig praktikable Ideen ausklamüsert. Beispiel AG der ökologiegerechtes Bauen: Man will am Runden Tisch den Vorschlag einbringen, daß staatliches Eigentum am Wohnraum an neue Mietergenossenschaften übereignet wird, um den Miethaien den Zugriff zu verwehren. Allerdings bringen solche Begegnungen auch immer ein wenig Frust mit sich: Was fühlt ein Leipziger, wenn er ein Sanierungsgebiet besichtigt mit wärmedämmenden Baustoffen, Blockheizkraftwerken sauberster Bauart, mit Regenwassernutzung für die Toilettenspülung? Oder ein völlig autarkes Solarhaus? Oder eine Kläranlage, die tatsächlich das Wasser klärt? Da wird schnell deutlich, wie groß die Unterschiede sind.
Aber es wird auch die Chance sichtbar: „Wir sollten euch helfen, die vielen schmerzlichen Fehler, die wir hier in der Vergangenheit, etwa bei der Betonierung der Innenstadt gemacht haben, bei euch gar nicht erst in Beton gegossen werden.“, sagt Sylvia.
Da ist sie sogar mit Hannovers Stadtchef Schmalstieg einer Meinung. Der hielt sich bei der Vorbereitung der Aktion dezent im Hintergrund, bat aber die Leipziger dann doch zu einen kleinen Empfang mit small talk. Viel freundliche Unverbindlichkeit, aber immerhin, die Leipziger empfanden solcherart Ehrung ihres Ökolöwen durchaus als wichtig. Vielleicht entschließt sich die Stadtverwaltung nun doch, die bislang noch recht bescheidene Hilfe (beschränkt vor allem für die marode Kläranlage Leipzig) aufzustocken.
Die Gegeneinladung ist längst ausgesprochen, am 9. Juni bittet der Ökolöwe die Hannoveraner nach Sachsen. Bis dahin wird es mit Sicherheit aber keinen Leerlauf geben, immerhin haben sämtliche Arbeitsgruppen konkrete Zusammenarbeit vereinbart und vor allem auch persönliche Kontakte geknüpft. Und auch ein kleiner Ökolöwe wird in Hannover bleiben: Ein Maskottchen aus Plüsch.
Wolfram Bär aus Leipzig
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