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Vereint? 'Zeit‘ für 'Sonntag‘

■ Gemeinsame Beilage zur DDR-Literatur / zwölf Rezensenten aus der DDR und zwei aus der BRD beteiligt / Weist diese Ausgabe in die Zukunft?

Das derzeit noch herrschende Helfer-Syndrom brachte sie wohl zustande: die gemeinsame Beilage von 'Zeit‘ und 'Sonntag‘ anläßlich der Leipziger Buchmesse. Als ich davon in der Hamburger Redaktion hörte, blieb mir nur zu nicken. Nach der Lektüre dieser deutsch-deutschen Literatur-Beilage soll allerdings einiges angemerkt sein.

Zwölf Rezensenten aus der DDR und zwei bundesdeutsche auf einem Dutzend Seiten. Die DDR-Beiträge werden vorgestellt, Volker Hage und Hajo Steinert, ihre Namen ohne Hinweis, als 'Zeit'-Leser kennt man sie eh. Die Reklame, groß und breit vertreten, kommt von den zahlungskräftigen West-Geld -Verlagen. Die drei „Zeit-Köpfe“ und Theo Sommer präsentieren das Wochen-Blatt des westdeutschen Mittelbaus. Die rezensierten Bücher und diskutierten Themen kommen aus der DDR beziehungsweise handeln diese ab.

„Kein schöner Thema weit und breit“, und schon denkt jeder an dieses merkwürdige Ost-Deutschland-DDR-Gebilde. Volker Hage setzt mit diesem Titel-Auftakt nicht ganz so ernst ein, wie die auftauchenden Fragen der DDR-Autoren genommen sein sollen. Christa Wolf fragt, „Wo habt ihr bloß alle gelebt?“. Bei Werner Liersch heißt die konzeptionelle Autoren-Antwort: „Die Literatur des kleinen Landes sollte seinen Bewohnern schreiben, was sie nicht erlebten.“

Werden da die Leser nicht fragen, wer in welchen Bezugssystemen gelebt hat?

Karin Hirdina bewegt ein „wehmütiger Rückblick auf die Literatur der DDR“. Sie meint kurzschlüssig, Provinz gebiere Provinzialität. Letztere ist wohl immer ein Problem des Horizontes und des persönlichen Vermögens. Die DDR-Literatur braucht einige neue Kriterien, die, wenn sie nicht von den Autoren kommen, sicherlich von den bundesdeutschen Kritikern kommen werden. Steinert und Hage setzen da schon Maßstäbe. Das Treffen mit BRD-Kritikern steht für die meisten DDR -Autoren noch aus. Werner Liersch konnte sich noch auf dem X. Schriftstellerkongreß über die Auffassung von Konrad Franke (Radio Bremen), die DDR-Prosa sei zu sehr dem Fontane -Stil gewidmet, beklagen. Dorothea von Thörne ficht eine steile Klinge für die DDR-Lyrik und greift exemplarisch auf die Autoren „Außer der Reihe“ (Aufbau-Verlag) zurück. Andere sind allerdings nicht da, die ältere Generation ist ja schon außerhalb der DDR. Das Humane, Demokratische und Weltoffene wird ebenso betont wie im Gegensatz die freie Wirtschaft. Nur sind dies alles Größen, die noch nicht wirksam sind in der DDR-Gesellschaft.

Was aber bedeutet diese Sonntag-Zeit-Ausgabe für die Zukunft und im deutschen Blätterwald? Wer beide Redaktionen in ihrer Ausstattung und ihrer Arbeitsfähigkeit kennt, der ahnt, wohin der Zug der Zeit gehen kann. Im Augenblick ist die 'Zeit‘ für mehr als elf Mark der DDR zu haben und der 'Sonntag‘ für 1,50 Mark.

Bleibt die Frage: Für wieviel der 'Sonntag‘ für die 'Zeit‘ zu haben wäre? Die publizistische Qualität spricht zwar im Vergleich für die 'Zeit‘, aber auch die Zeitung von Gräfin Dönhoff und Altbundeskanzler Schmidt hat kompetente Kritiker. Claus Koch schreibt in 'Meinungsführer. Die Intelligenzblätter der Deutschen‘ (Rotbuch, 1989): „Die intellektuelle Disziplinlosigkeit, die dem politischen Leitartikel der ZEIT so viel Schwafelei gestattet, herrscht heute auch im Feuilleton. Dem ist von der Zeitung nachgeholfen worden. So hat es sich das Intelligenzblatt schon vor längerem erlaubt, auf einen eigenen Teil für die Literaturrezension zu verzichten. Man kann ahnen, warum.“ Das hängt nicht nur mit der Person Fritz J. Raddatz zusammen, schreibt Claus Koch. Ich glaube, es liegt auch an der Situation der westdeutschen Literatur.

Reiner Flügge

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