: „Hände weg von den Joint Ventures!“
Wirtschafts-Professor warnt DDR-Betriebe vor schnellen Westverträgen Postenjagd der VEB-Direktoren bringt Belegschaften in Gefahr ■ Aus Berlin Dirk Asendorpf
„Sagt die Henne zum Schwein: 'Laß‘ uns 'nen Joint Venture machen. Wie wärs zum Beispiel mit ham and egs.‘ 'Und wie soll das gehn?‘, fragt das Schwein. 'Na, ich liefer die Eier und Du den Schinken.'“
So wie sich bei diesem tierischen Gemeinschaftsunternehmen das Schwein ins eigene Fleisch schneiden muß, so wird es auch den meisten ehemals volkseigenen Betrieben der DDR ergehen, wenn sie sich auf Gemeinschaftsunternehmen mit Westkonzernen einlassen. Das jedenfalls meint Dr. Harald Kunze, Professor für Internationale Wirtschaftskooperation an der Humboldt-Universität. „Gestandenen Unternehmern und solchen die es werden wollen“ gab er deshalb am vergangenen Freitag in einem Vortrag der Ostberliner Urania den eindringlichen Rat: „Hände weg von Joint Ventures!“
Schon über 100 Gemeinschaftsunternehmen zwischen West- und Ostbetrieben wurden seit Beginn dieses Jahres neu gegründet, und täglich werden es mehr. Mehr als 200 Besucher kommen regelmäßig zu den Informationsveranstaltungen der Sektion für Joint Ventures an der Humboldt-Universität, obwohl sie nirgendwo öffentlich angekündigt werden. „Wir können uns vor Anfragen aus der ganzen Republik nicht retten“, sagt Prof. Kunze.
Dabei seien „90 Prozent aller internationaler Kooperationen auch unterhalb der Ebene eines Joint Venture möglich“, so der Wissenschaftler. Aber das wüßten die Betriebsdirektoren meist überhaupt nicht. Schließlich sagt es ihnen auch niemand, denn: „Die allermeisten Betriebsberatungsfirmen, die jetzt wie Pilze aus dem Boden sprießen, haben keine Ahnung.“ Und auf eine Warnung vor trickreichen Westverträgen hoffen Betriebsdirektoren bei der formalen Genehmigung ihrer Kooperationsanträge vergeblich. „Zuständig sind die Räte der Kreise; die sind überhaupt nicht kompetent und genehmigen zur Zeit alles, was beantragt wird“, weiß Kunze aus seiner Beratungserfahrung.
Tatsächlich ist die Rechtslage auch nach dem Gesetz vom 8.3.90 zur Umwandlung volkseigener Betriebe in Kapitalgesellschaften äußerst unklar. Findige VEB-Direktoren versuchen diese Lage auszunutzen, indem sie so schnell wie möglich „ihre“ Betriebe an Westfirmen verschleudern, um sich dafür vertraglich ihren künftigen Posten als Geschäftsführer abzusichern. Denn sind die neuen staatseigenen GmbH oder Aktiengesellschaften erst einmal konstituiert, entscheidet über Verkauf und Westkooperation nicht mehr der Direktor, sondern der mindestens neunköpfige Aufsichtsrat, in dem die Belegschaft die Hälfte der Stimmen hat.
Und gerade für die Belegschaften, so Prof. Kunze, sind vorschnell vereinbarte „Joint Ventures“ am gefährlichsten. Geht ein ost-westliches Gemeinschaftsunternehmen zum Beispiel pleite, so heißt es dazu im DDR-Gesetz zur Zeit nur ganz allgemein: „Soziale Maßnahmen sind festzulegen.“ Eine staatliche Kontrolle und die Verpflichtung, unter Beteiligung der Belegschaft einen „Sozialplan“ zu erstellen, die in der BRD vorgeschrieben sind, gibt es in der DDR nicht.
„Meistens geht es den BRD-Firmen nur um den Zugang zu unseren Märkten, nicht aber um den Erhalt der Produktion in der DDR“, warnt Prof. Kunze. Wenn aber trotzdem ein Joint Venture vereinbart wird, dann sollten die DDR-Betriebe zumindest darauf achten, daß ihr „immaterielles Vermögen“ in den Vertrag einfließt. Die Abonnentenkartei einer Fachzeitschrift oder allein schon persönliche Kontakte und die Kenntnis über den Zugang zu den Märkten anderer RGW -Staaten sind bares Geld wert und müßten auch so bezahlt werden. „Alles, was nicht eindeutig im Vertrag steht, gilt im Zweifel nicht mehr“, warnt Prof. Kunze vor den fix und fertig formulierten Verträgen, die die Westfirmen ihren DDR -Partnern gerne präsentieren, „wer nicht aufpaßt dem geht es wie dem Schwein beim Joint Venture mit der Henne.“
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