: Ungarns Linke abgestürzt
■ Demokratisches Forum und Liberale bei Wahlen vorn / Pozsgay geschlagen / Landwirte bei 12, Sozialisten bei 10 Prozent
Berlin (taz/adn/dpa) - Bei den Parlamentswahlen in Ungarn zeichnet sich ein deutlicher Sieg der marktwirtschaftlich orientierten Parteien ab. Nach ersten Hochrechnungen liegen das Ungarische Demokratische Forum (MDF) und der Bund Freier Demokraten (SZDSZ) bei 20-25 Prozent der Stimmen, mit einem leichten Vorsprung für das MDF.
Die Sozialisten unter Imre Pozsgay liegen weit abgeschlagen bei 10 Prozent und werden von den Kleinlandwirten (FKgP) überflügelt. Pozsgay selbst erreichte in seinem Wahlkreis nur 20 Prozent der Stimmen. Die Jungdemokraten erreichten 8, die Christdemokraten 6 und der Agrarbund 4 Prozent. Die orthodox-kommunistische USAP-Nachfolgerin sowie die Sozialdemokraten (MSZDP) fallen vermutlich unter die Vier -Prozent-Hürde.
Es ist eine deutliche regionale Differenzierung bei den Ergebnissen zu erkennen: im Osten liegt das MDF, im Westen der SZDSZ vorn. Da nur drei Kandidaten die zur Direktwahl erforderliche absolute Mehrheit in ihrem Wahlkreis erzielten - Ministerpräsident Nemeth mit 60 Prozent, Jozsef Debreczeni vom MDF mit 51 Prozent und der unabhängige Zoltan Deme mit 53 Prozent - sind Stichwahlen am 8. April erforderlich.
Falls sich das Ergebnis bestätigt, geht Ungarn instabilen Zeiten entgegen. Rechnerisch ist nur eine große Koalition von MDF und SZDSZ möglich. Aber dies wird von keiner der beiden Parteien so recht gewünscht. Ivan Petö, einer der drei Spitzenkandidaten des SZDSZ, hatte sich für eine Koalition seiner Partei mit den Landwirten von der FKgP ausgesprochen, da das MDF aus blassen, nationalistischen Provinzhonoratioren bestehe. Der konservative Präsident des MDF, Jozsef Antall, ließ sich dagegen unlängst in Wien als künftiger Ministerpräsident feiern, der das Land in die EG führen würde. Sein Traum, nach hiesigem CDU-Muster einen deutlichen Sieg einzufahren, ist jedoch geplatzt.
Koalitionsverhandlungen werden in Budapest wohl noch schwieriger werden als in Berlin, besonders da die beiden Parteien programmatisch nicht sehr viel trennt. Streitfragen ergeben sich eher aus dem Widerspruch zwischen den restaurativen Tendenzen des MDF und den eher westlich -modernistischen Idealen des SZDSZ, der zu den französischen und spanischen Sozialisten sowie der Bonner FDP Kontakte unterhält.
Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen