piwik no script img

Umgefärbte Goldfasane?

■ Zur Entdeckung des Internierungslagers bei Fünfeichen

Nun ist es öffentlich - das Regime der Sieger über den Faschismus. Denn das nichtöffentliche Wissen um die Dinge, die da Internierungslager, Sibirien oder sonstwie hießen, darf wohl als gegeben vorausgesetzt werden. Und kannten wir nicht alle auch die Geschichte von dem Mann mit der roten Mütze, den die Armisten einfach mitnahmen, weil ihnen eben dieser eine zum Hundert fehlte?

Uns bleibt das Lachen über diese Anekdote angesichts von Fünfeichen im Halse stecken. (Betroffene hatten sowieso nie über derartige Anekdoten lachen können...).

Dennoch: Mir will die Angelegenheit nicht so recht in den Kopf; und wenn die Zeitungen darüber berichten, der jüngste Gefangene des Lagers Fünfeichen sei 12 Jahre alt gewesen, und wenn in den gleichen Berichten außerdem übersteigerte Sicherheitsbedürfnisse der sowjetischen Behörden erwähnt werden - dann denke ich erst einmal an den Film „Geh und sieh“, und ich denke an Ursache und Wirkung und auch daran, daß eben der „Werwolf“ - obwohl ziemlich unwirksam geblieben - eben keine Erfindung des NKWD war.

Und vor allem denke ich daran, daß die jetzt so beliebten Gleichsetzer unterschlagen, daß die Faschisten vorhatten, ganze Völker systematisch, industriell und planmäßig zu vernichten. Da will es mir absolut nicht schmecken, daß zum Beispiel das 12jährige NKWD-Opfer dazu benutzt wird, Ortsgruppenführer, SS-Männer, die Goldfasane genannten NS -Funktionäre und Gestapo-Spitzel in Unschuldige umzufärben. Wenn wir das erst durchgehen lassen, dauert es auch nicht mehr lange bis zur Auschwitz-Lüge made in GDR. Keine Frage: Fünfeichen war Unrecht, zielstrebiger faschistischer Massenmord aber war es nicht.

Wolfgang Sabath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen