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Die späte Heimkehr des Georg B.

■ Die erste Ausstellung von Georg Baselitz wurde in der DDR eröffnet / Die Vaterfigur der Jungen Wilden präsentiert Zeichnungen und Gemälde im Alten Museum

Berlin (taz) - Wieder eine Heimkehr, diesmal die Späte des Georg Kern, bekannt und gekauft auf den Kunstmärkten der Welt als Georg Baselitz. Das Kupferstichkabinett zeigt seit heute und noch bis zum 4. Juni 1990 über hundert Arbeiten des 1938 in der Oberlausitz geborenen, heute in Niedersachsen und an der italienischen Riviera lebenden Künstlers. Baselitz der sich seit 1958 mit dem Namen seines in der Nähe von Dresden gelegenen Geburtsortes Deutschbaselitz schmückt, begann seine künstlerische Ausbildung an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Nach nur zwei Semestern wurde der damals 19jährige wegen „gesellschaftlich-politischer Unreife“ religiert. Baselitz siedelte nach Westberlin über und setzte dort sein Studium fort. 1963 löste er mit der Präsentation seiner Werke „Die große Nacht im Eimer“ und „Der nackte Mann“ einen Skandal aus, der ihm nicht nur ein sich bis 1965 hinziehenden Strafprozess einbrachte, sondern zugleich auch den für den Kunstmarkt nicht unwichtigen Publicity-Schub einbrachte. Der Künstler zeigte in Öl geronnen, was in den Schlafzimmern des Landes geträumt oder gelebt wurde und wird: die große Onanie des kleinen Mannes. Baselitz stieß damit an die Schmerzgrenze einer sich in den 60er Jahren verkopft und liberal geberdenden bürgerlichen Kunstauffassung.

Der fernab des sich von der Abstraktion zur Pop-Art wendenden Mainstream schwimmende Künstler schafft mit der Macht der Farbe und der Gewalt, der über der Leinwand gleitenden Hand, Bilder, die nicht Wirklichkeit spiegeln, sondern Erfindungen des Künstlers ohne das Publikum brüskierende Verschlüsselung projizieren. Baselitz, der seit der Mitte der 60er Jahre die Motive seinem Betrachter auf den Kopf stehend präsentiert, zählt zu den Vätern der jungen und wilden Malergeneration der frühen 80er Jahre.

Doch im Gegensatz zum Leipziger Bernhard Heisig rekrutierte er keine Schülerschaft. Die Ausstellung im Alten Museum, bestückt mit Arbeiten aus dem Kupferstichkabinett Basel und aus Westberliner Privatbesitz, bietet eher Gelegenheit, über die Gemeinsamkeiten deutschdeutscher Kunstentwicklung, als über deren Unterschiede nachzudenken. Expressivität als Leitfaden doch nicht als starres Handlungsmuster. Basilitz, ein Maler, der zuweilen anrührend sentimentales kreiert. Birkenwälder, die ein Hauch russischer Malerei der 19. Jahrhunderts in die von den apokalyptischen Visonen geschüttelten Ausstellungsräume unserer Jetztzeit transportieren.

A.M.

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