: Droge Alkohol
■ betr.: "Und am Ende hat der Alkohol übernommen", taz vom 30.3.90
betr.: „Und am Ende hat
der Alkohol übernommen“,
taz vom 30.3.90
Bin heute gerade von einem Seminar in den USA zurückgekehrt, packe meine Koffer aus und wieder ein für das nächste Seminar in Gwatt am Thuner See, da fällt mein Blick auf die taz von heute mit dem ausgezeichneten Interview von Horst Zocker. Auch der Vorspann auf Ihrer Titelseite war sehr gut.
(...) Der von Ihnen abgebildete Alkoholiker macht nur ein Prozent der etwa zwei Millionen Alkoholiker in Westdeutschland aus. Die anderen - wie auch so klar aus dem Interview hervorgeht, sehen so aus „wie du und ich“. Wenn immer wieder von den Medien, auch von der medizinischen Fachpresse, derartige Bilder veröffentlicht werden, ist es kein Wunder, daß Alkoholiker, die um Hilfe schreien, hinter ihrer scheinbar normalen Erscheinung, auch in höchsten Stellungen, nicht rechtzeitig, frühzeitig erkannt und einer Behandlung zugeführt werden können. Medien, die so handeln, helfen nicht mit - obwohl sie es könnten - das Bewußtsein von vielen zu sensibilisieren, zu schulen und zu schärfen.
Vor vielen Jahren habe ich die verschiedensten Fernsehstationen in Deutschland auf den ausgezeichneten amerikanischen Film I'll quit tomorrow vom Johnson Institute in Minneapolis, Minnesota aufmerksam gemacht. Die Sendung dieses packenden, sehr realistischen Streifens zu einer Haupteinschaltzeit würde es nicht nur vielen Alkoholikern ermöglichen, an sich selbst durch Identifikation mit den Darstellern die Diagnose zu stellen und dann von sich aus Hilfe zu suchen, sondern gerade die Angehörigen, die Kinder, Mitarbeiter, Freunde wären fähig, sich selbst als Co-Alkoholiker, Komplizen des Alkoholikers zu erfahren, die durch ihre Haltung, durch ihre Bereitschaft, die Lebenslüge des Alkoholikers mitzumachen und diese zu unterhalten, das grausame Leiden des Betroffenen zu verlängern und dessen Selbstzerstörung zu begünstigen. Der notwendige „Tiefpunkt“ beim Alkoholiker, der ihn zu einer Änderung seines Lebens bereitmacht und Hilfe suchen läßt, kann durch eine veränderte Haltung der Ko -Alkoholiker - ganz gleich wo sie sich befinden - schneller herbeigeführt werden. Der „Tiefpunkt“ ist ein innerer Zustand, der den Betroffenen aufwachen läßt, um seine wirkliche Situation zu sehen; er ist kein „geographischer Ort“ wie zum Beispiel der wirtschaftliche und soziale Ruin und die Gosse!
Dr.med.Walther H.Lechler, Bad Herrenalb
(Sowohl das Interview als auch dieser Leserbrief lassen bei mir den Eindruck entstehen Alkoholismus sei reine Männersache! Von wegen Sprache und so. d.sin)
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