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Othello und Othella

Foto: David Baltzer

Was ist es, das Off-Theatergruppen immer wieder dazu verführt, sich des großen Shakespeare anzunehmen? Der Mut zum Risiko? Der Sprung in die Überaufgabe? Oder ist es die Notwendigkeit, möglichst vielen Möchtegern-Schauspielern Texte in den Mund zu werfen? Oder allein die Hoffnung, daß der Gegenstand der theatralen Bemühung den Erfolg schon garantiert?

Oft genug gerät das Endprodukt spärlich, disparat und mutlos. Unlängst verbrauchte das Theater Zentrifuge viel Kraft auf den »Othello«. Obwohl die reine Frauenmannschaft viel Spannung weckte, erstickte letztlich der Versuch, das Riesenwerk ohne eigene Note nachzuzeichnen, Intentionen und Schärfe.

Nun hat sich eine Abordnung der weiland bekannten Studiobühne der FU Berlin ans gleiche Werk gemacht. Auch hier spielen - mit einer ausnahme nur Frauen (fünf an der Zahl). Doch entspricht dem nichts Dogmatisches, will nur zeigen: Jeder könnte jede Rolle spielen. Und das tun sie denn auch: Man tauscht die Rollen, wo man kann. Jeder schlüpft mal in die Toga des Othello. Auch Jago, Desdemona, Emilia finden jeweils mehrere Darsteller.

Man spielt Szenen aus Othello, die den Handlungsverlauf aufs Notwendigste, Dürftigste zusammenstutzen. Das alles verwirrt am Anfang und läßt über längere Zeit die Anteilnahme stocken. Konsequentem Handlungfaden und mitreißender identifikation ist vorgebaut: Ein Kammerspiel getauschter Rollen - jede Szene ist ein neuer Start.

Dabei machen einige Szenen durchaus Spaß. Othello/as Zweifelsmonolog ist wunderbar gelöst: der Eifersüchtige bespricht sich mit sich selbst höchst eindringlich, zweifelt und verzweifelt doppelt, treibt sich durch sich selbst in Wut und Harnisch, denn Ingo Schweizer und Esther Gollodoro spielen virtuos im Wechselgesang zwei Hälften einer Seele. Wenn dann die Meuchelszene anbricht, hat der singende Mohr gleich fünf vermeintlich untreue Desdemonen zu würgen: das weibliche Ensemble liegt am Ende hübsch gemeuchelt unterm roten Tuch; dann setzt sich der Held recht gelassen selbst ein Ende.

Die Szenenfolge im tiefschmalen Raum des entlegenen Spielwerks Berlin, Zehlendorf, hat - erfreulicherweise - eine Linie. Man zielt aufs Überindividuelle, die Austauschbarkeit der Rollen. Othello oder Othella - Verführung, Eifersucht und Liebe - das geht uns alle an. Doch bleibt das Ganze leider allzu unverbindlich. Ideen reihen selbstverliebt sich aneinander. Nicht alles ist hier zwingend, manchmal auch überkandiedelt. Muß Othello wirklich noch Marilyn Monroe per Poster anhimmeln oder der Wunsch nach dem vermaledeiten Taschentuch durchs Telefon geflüstert werden?

Wenn's trotzdem Laune macht, so liegt's an den soliden Leistungen der Akteure, die mit persönlichem Charme Text und Szene meistern. Eine Werkschau. Der Gemeinschaftsarbeit unter der Leitung von Tanja Neumann haftet noch etwas Unfertiges an. Vielleicht wird weiter daran gefeilt. Die Kraft, der Mut dazu ist spürbar. Immerhin. baal

»Othello«, gespielt von der Studiobühne der FU Berlin, freitags bis sonntags um 20.30 Uhr bis zum 25.November.

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