: Synagogenzerstörungen in Berlin am 9. November 1938
■ Wenige der 120 Synagogen und Betstuben blieben unbeschädigt/ Eine unvollständige Aufstellung
In Berlin existierten Mitte 1938 mindestens 30 Synagogen und über 80 Betstuben. Von den Verwüstungen des Novemberpogroms wurden sie alle betroffen, wenn auch im einzelnen nie festgestellt wurde, welche Synagogen oder Betstuben total zerstört, welche beschädigt wurden, aber nicht völlig verbrannten, und welche die Nacht zwar unbeschädigt überstanden, in den nächsten Wochen aber von der Gestapo geschlossen wurden. Bis auf ganz wenige öffneten sich ihre Tore nie wieder für einen Gottesdienst. Über die größeren Synagogen berichtet das Yad Vashem.
Die Synagoge Fasanenstraße wurde mehrere Male in Brand gesteckt, da das Feuer nicht um sich greifen wollte. Das Portal blieb bis heute erhalten. In der Synagoge Levetzowstraße wurde innen Feuer gelegt. Die Synagogen Kottbusser Ufer, Siegmundshof und Münchner Straße wurden nicht beschädigt. In der ältesten Synagoge in der Heidereutergasse wurden die Türfüllungen eingeschlagen, die Polizei untersagte weitere Demolierungen (vermutlich weil Haus und Gelände schon von der Deutschen Reichspost enteignet waren). Die Synagoge in der Passauer Straße wurde demoliert, Thorarollen wurden zerrissen. Im Gotteshaus in der Oranienburger Straße wurde Feuer gelegt, der Trausaal demoliert, einige Fenster wurden ausgeschlagen und die Thorarollen auf dem Boden ausgerollt. Größere Schäden konnte der Reviervorsteher Wilhelm Krützfeld vom Polizeirevier Hackescher Markt verhindern. Mit der Begründung, daß die Synagoge unter Denkmalschutz stehe, hinderte er die SA, die Synagoge weiter zu zerstören. Er orderte auch die Feuerwehr, die den Brand im Gotteshaus löschte. Auch gegen die Zerstörung der Synagoge in der Lützowstraße gab es Widerstand. Als die Nazis eindringen wollten, stellten sich der christliche Torwart und der jüdische Hauptaufseher den Eindringlingen entgegen. Beide wurden mißhandelt. Dann wurde das Innere der Synagoge ausgebrannt, wobei auch die Kultgeräte vernichtet wurden. Die Synagoge in der Prinzregentenstraße brannte völlig aus. Dasselbe geschah mit dem Friedenstempel in der Markgraf-Albrecht- Straße und mit der Synagoge Grunewald in der Franzensbader Straße. In der Rykestraße wurden die Fensterscheiben eingeschlagen und anschließend die hinteren Teile der Synagoge angezündet. Die Synagoge in der Frankfurter Allee wurde zerstört, Thorarollen wurden zerfetzt und umhergeworfen. In der Synagoge Kaiserstraße wurde Feuer gelegt, aber mit Rücksicht auf die angrenzenden Häuser wurde es wieder gelöscht. Die Gestapo schloß die Synagoge in der Artilleriestraße. Die Synagoge in Potsdam wurde verbrannt, die Juden gezwungen, die heißen Steine wegzuschleppen. Verbrannt wurde auch die Synagoge in der Lessingstraße. Das Gotteshaus in der Prinzenstraße wurde angezündet, das Feuer aber gelöscht. Niedergebrannt wurde auch die Synagoge Ahawat Schalom in der Kleinen Auguststraße. Die Synagoge Brunnenstraße 33 wurde demoliert. taz
Über das Schicksal der Berliner Synagogen berichtet ausführlich Adolf Diamant in der Buchdokumentation »Zerstörte Synagogen vom November 1938« (Frankfurt 1978) sowie: »Synagogen in Berlin · Zur Geschichte einer zerstörten Architektur«, hrsg. vom Berlin-Museum, Berlin 1983.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen