: Funkenflug
■ Die Trainer und das Zentrum der Macht PRESS-SCHLAG
Wenn es Herbst wird in den hiesigen Breiten, fallen nicht nur die Blätter, sondern landauf, landab werden die Knöpfe diverser Schleudersitze gedrückt. Neururer in Schalke, Fuchs in Berlin, Plaudertasche Günter Bosch bei SAT 1, Entenmann, Ristic, Saftig, Häfner — nun, wir wollen nicht vorgreifen.
Die Hinrunde neigt sich ihrem Ende zu, und langsam bemerken auch die verschnarchtesten Präsidenten und Manager gewisser Vereine, daß die Sache nicht ganz so läuft, wie sie sich das vor Saisonbeginn so schön ausgemalt haben. An ihnen kann das selbstredend nicht liegen, an der Mannschaft eigentlich auch nicht, denn die ist ja von ihnen persönlich ausgesucht worden. So gehen sie in sich, kramen ausgiebig im Fundus ihres fußballerischen Unverstandes und fördern einmütig eine profunde Erkenntnis zutage: der Trainer ist schuld! Raus mit dem vermaledeiten Burschen, her mit irgendeinem möglichst renommierten Nachfolger — und ab geht die Post.
Manchmal scheint die Sache sogar zu klappen. Kaum hatte Herthas neuer Halbseidener auf der im Dauerregen plazierten Trainerbank Platz genommen und fast zwei Stunden lang unter Beweis gestellt, daß er zumindest wasserdicht ist, holten die Berliner schon einen Punkt gegen Bayern München. Mit dem alten Fuchs hätte es bestimmt mächtig einen auf die Mütze gegeben — sagen jetzt alle, die beim schnöden Treuebruch am ehemaligen Coach mitgewirkt hatten. Zwar kennt Nachfolger Pal Csernai seine Spieler kaum beim Namen, aber möglicherweise ist ja das übergesprungen, was Dieter Hoeneß, Manager des VfB Stuttgart, so hübsch „Funke“ nennt.
Dieser fehlt dem kopfstarken Schwaben bei seinem Coach Willi Entenmann, und Hoeneß machte nach der tölpelhaften Niederlage der Stuttgarter in Mönchengladbach im „Aktuellen Sportstudio“ kaum einen Hehl daraus, daß er diesem lieber heute als morgen die Tür weisen würde. Zwar arbeite der brave Entenmann fleißig und „akribisch“, aber es kämen eben keine „Impulse“.
Während Hoeneß also gern die Funken fliegen lassen möchte, sicherte Präsident Mayer-Vorfelder seinem Trainer noch unverbrüchliche Treue zu. Ein schlechtes Zeichen! Zum einen hat es bei Herthas Werner Fuchs genauso angefangen, und zum anderen ist Mayer- Vorfelder bekanntlich Politiker, eine Zunft, bei der Glaubwürdigkeit nicht sonderlich hoch im Kurs steht. Die Spieler wittern jedenfalls schon Unrat und Karl Allgöwer warnt: „Wir müssen aufpassen, was jetzt wieder von hinten rum passiert.“ Die Spieler wüßten jedenfalls, daß es nicht am Trainer liegt.
Das scheinen inzwischen auch vermehrt die Fans zu wissen. Waren sie früher immer die ersten, die den Kopf des Trainers forderten, neigen sie heutzutage dazu, direkt den Hauptverantwortlichen an den Kragen zu gehen. Selbst bei den erfolgreichen Klubs in Frankfurt und Köln hat das Präsidium nichts zu lachen, und in Schalke grenzten die Proteste gegen den Rauswurf des volksnahen Peter Neururer fast an Revolution. Präsident Eichberg, emsig bemüht, seine merkwürdige Entscheidung zu rechtfertigen, wollte am Stadioneingang mit den Schalke-Anhängern diskutieren, was ihm aber von der Polizei ausgeredet wurde. Die erbosten Fans ließen dann ihren Block leerstehen, und forderten auf Spruchbändern „Eichberg in die Schwarzwaldklinik“, „Wir wollen Peter“ oder schlicht „Eichberg, schäme dich“.
Das gereifte Verhalten der Fans, die nicht mehr das ärmste Würstchen zum Sündenbock machen, sondern schnurstracks auf das Zentrum der Macht losgehen, könnte auch Mayer-Vorfelder bald zu spüren bekommen. Und vielleicht macht das gute Beispiel ja sogar Schule und greift auf andere Tätigkeitsbereiche des Kultusministers und seiner Spießgesellen über. Ein Funke genügt. Matti
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