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The future is sicher, Sportwise betrachtet: Die Blödmänner-In-Group

Die Blödmänner-In-Group

Zeitgeistingen (taz) — Während die einschlägige Fachpresse noch in tiefer Trauerarbeit über den verpaßten Titel des Fußball-Europameisters verstrickt ist und 'Sport-Bild‘ dabei in der schönsten, ja nachgerade zärtlichsten Überschrift ihrer Erscheinungsgeschichte Jupp Heynckes fragen läßt „Ist der Ball nicht mehr unser Freund?“, ducken wir uns bereits vor der Flut von Olympiasonderheften und -teilen, deren zeitgeistmagazinierte Vorabwogen schon jetzt aus den Regalen plätschern.

'Max‘, das Mitteilungsorgan des Internationalen Super-Model-Verbandes und Druckseiten gewordene Werbeagenturphantasie macht „Olympia Total“, hat zehn brave Sportlerinnen in echte Super-Model- Lookalikes verwandelt, Olympiaguides, Olympiahelden, Barcelonatopadressen und sonstigen Unsinn zusammengeschrieben, den zu lesen eine sinnvolle Tageseinteilung natürlich strikt verbietet.

Der 'Wiener‘ (daß es den alten Zeitgeist-Opa auch noch gibt!) fragt kaum überraschenderweise „Wie erotisch sind unsere Olympia- Stars?“ und hat sich zusätzlich noch richtig klassemäßigen Super-Unsinn einfallen lassen. Da gibt es nämlich noch eine „Trendprognose“ für den Sport. Überschrift: „future sport“. Real zukunftsweisend, deshalb to be pronounced in English: Fjutscher Spoort. Der Zukunftsonkel, der dort in seine Glaskugel geguckt hat, heißt übrigens Gerd Gerken (Künstlername?), hat eine echte Wissenschaftlerglatze, eine nämliche Brille und lächelt freundlich zufrieden aus seinem Bildkästchen. Kann er auch, denn schließlich ist er niemand anderes als „Deutschlands innovativster Zukunftsforscher“.

In Kreisen, wo man noch an den Zeitgeist glaubt, genießt Gerd Gerken richtigen Kultstatus, weil er etwas, das wie „Intrafusion-Management“ klingt, erfunden hat. Vielleicht wars auch „Neo-Virtuelles- Marketing“. Irgend etwas in der Art war es jedenfalls. Außerdem hat er neulich im Fernsehen behauptet, daß die Natur dazu da ist, daß wir mit dem Auto durchfahren. Für die Rüstungsindustrie arbeitet er wahrscheinlich gerade an einer Prognose, die besagt, daß Menschen dazu da sind, von Super-Haubitzen mausetot geschossen zu werden.

Neun Future-Hämmer

Aber hier geht es dem netten Gerd Gerken um den Sport. Und so holt er seine neun Future-Hämmer raus. Zunächst befehligt er uns in die „Adrenalin-Ekstase“, die schließlich von der „Gruppenphantasie unserer Gesellschaft verlangt“ wird und phantasiert uns zu Grenzsportarten-Erfahrungen im Cyberspace, wo noch Gesteinsreste vom Freeclimbing am Datenhandschuh kleben. Dann verabschiedet er Nationenwettkämpfe zu Gunsten von „Teaming“, der Identifikation mit einer „Szene, In- Group oder einem Team“ und seiner „Ideologie, seinem Image und seiner Corporate Identity“ — und denkt doch nicht (seufz!) an den VfL Bochum. Wir aber denken an die weiten Flüge und harten Landungen eines Jürgen Klinsmann, der im „Sport als Seifenoper“ vielleicht gar keinen „Show-Coach“ braucht, der die „Pointen der Performance“ schreibt.

In den neuen „Speedkämpfen“ der „Nintendo-Generation“, die „extrem mediengeeignet“ sind, werden hingegen in the future einzelne Spieler via Glotze gegen die ganze Nation „Tetris“ spielen. Oder so. Und im „Humorsport“ („Man muß sich das als eine Mischung aus Akrobatik und Humor, aber auf Roboterniveau vorstellen.“????), wie dem „aberwitzigen Wrestling“ erleben wir eine Wirklichkeit gewordene Comic-Welt.

Es hat lange gedauert, schon stehen wir voller Speed oder adrenalingefüllt im virtuellen Raum, da will sich auch der Pürzel recken. Bestens möglich beim „erotischen Pin-up- Sport“, der zu einer „Art spielerischem Posing (wie beim Bodybuilding)“ führt, das „Bewegungserotik und Bewegungssex in seiner schönsten Form wird“.

Durchhalten, durchhalten. Gerken ist nach diesem „sportlich-erotischen Ballett“ noch nicht am Ende. Auch wenn die scheinbare Super- Pointe „Sport ohne Sport“ leider nichts anderes ist, als eine „Sportmesse“, die eine (Hallo liebe Wirtschaftstreibende, ihr wart doch die ganze Zeit schon gemeint, bitte aufwachen!) „ideale Plattform für Sportfirmen zur Werbung, Sponsoring und Marketing“ ist.

The last zwei Orakel sind zwar nicht richtig brandnew, knallen aber auch ganz gut. Sport als Onkel-Doktor-Ersatz heißt „Medical-Sport“ und — der Schluß wird noch mit New Age verwürzt — die Holy-Body- Meditation ist rein gurumäßig bzw. brain-machine-technisch „Sport für den feinstofflichen Körper“.

Respekt, Gerd Gerken! Auch wenn du uns die beste aller Sportarten verheimlicht hast: Den All-the-Blödmänner-that-are- sitting-verzweifelt-in-their-marketing-offices-all-the-Kohle-with- Pseudo-In-Group-Slang- out-of-the-Tasche-ziehen-Sport. Christoph Biermann

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