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Ein Platzhalter für Algeriens Juntachef

Der Diplomat Ali Kafi wurde zum Nachfolger des ermordeten algerischen Staatschefs Boudiaf ernannt/ Die Wahl des farblosen Politikers zeigt, daß der Richtungsstreit der Junta nicht zu Ende ist  ■ Von Oliver Fahrni

Paris (taz) — Tatendrang und ausgeprägter Wille sind Ali Kafi (64) nicht nachzusagen, und diese Art von Profil behagt dem algerischen Juntachef Khaled Nezzar. Donnerstag nacht ernannte der General den farblosen Nomenklaturisten Kafi als Nachfolger des ermordeten Boudiaf zum Präsidenten des Hohen Staatskomitees. Zum Boudiaf-Nachfolger als Vorsitzender des Konsultativrates wurde der Diplomat Rehda Malek ernannt.

Kafi, auch er ein Diplomat, verkörpert das alte nachkoloniale Algerien und soll mithin wie sein Vorgänger für Legitimität des Regimes sorgen. Er war Generalsekretär der „Mudjaheddin“, der „Veteranen des Befreiungskrieges“, die in Algerien ein ganz besonderes Ansehen genießen. Denn schließlich war es der Befreiungskrieg, der nach 300 Jahren osmanischer und 150 Jahren französischer Herrschaft erst spät die algerische Nation und einen eigenen Staat begründete. Doch seit 1962 wurden die „Veteranen“ von der politischen Macht ausgeschlossen. „Kafi“, erzählt ein Ex-Major der Befreiungsarmee, der als Held der Revolution gilt, „Kafi hat sich damals kaum hervorgetan — ein klassischer Trittbrettfahrer.“ In den letzten Jahren habe er die „Mudjaheddin“ mit harter Hand geführt. „Er hat alle Versuche vereitelt, den Handel mit gefälschten Kriegskarten zu stoppen.“ Diese Veteranen-Ausweise räumen ihren Inhabern Privilegien ein und gehören daher zur Grundausstattung jedes Politikers. Viele Mitglieder der Nomenklatura haben solche Ausweise, was die Zusammensetzung des Mudjaheddin-Verbandes in ihrem Sinne verändert hat.

Für viele Algerier ist Kafi ein Unbekannter, der Nezzar offenbar vor allem als Platzhalter dienen soll. Seine Ernennung ist ein Hinweis darauf, daß der Streit um den zukünftigen Kurs der Junta noch nicht ausgestanden ist. Vor allem jüngere Offiziere drängen auf eine Aufnahme der Islamisten in eine Regierung der „nationalen Versöhnung“. Ex-Minister Belkacem bekannte jetzt öffentlich, daß die „Armee an diesem Streit auseinanderbrechen“ könnte.

Nezzar gibt denn auch plötzlich zaghafte Signale. Er konsultierte erstmals verschiedene Parteichefs, darunter auch den Sozialdemokraten Hocine Ait-Ahmed und den gemäßigten Moslem-Führer Mahfoud Nahnah (Hamas). Eine Erweiterung des Hohen Staatskomitees wurde ins Auge gefaßt. Die jungen Offiziere brachten den früheren Außenminister Taleb Ibrahimi als möglichen Boudiaf-Nachfolger ins Spiel. „Ohne Islamisten gibt es in Algerien keine Lösung“, schrieb Ibrahimi vor einem Jahr. Kafi kündigte in seiner ersten Ansprache eine verschärfte Verfolgung der Islamisten an. „Das will gar nichts heißen“, sagte ein algerischer Diplomat. Würde mich nicht einmal wundern, wenn wir in diesen Tagen vom Rücktritt Nezzars erführen.“ Ein Sprecher der Islamisten zeigte sich weniger zuversichtlich: „Ohne erneuten Militärputsch oder einen Volksaufstand wird das nicht abgehen“, meinte er.

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