: Mit dem Gummi auf du und du: Streit ums Stimmrecht
■ Der Kampf um Conti geht in die nächste Runde
Hannover (taz) — Der Punkt „Höchststimmrecht“ stand am Ende der Tagesordnung der Hauptversammlung der Continental AG, doch die Diskussion in der hannoverschen Stadthalle bestimmte er von Anfang an. Hubertus von Grünberg, Vorstandsvorsitzender der Conti, sah in dem Vorstoß von „Pirelli und der Mediobanca“ gegen die seit 1989 geltende Stimmrechtsbegrenzung einen erneuten Versuch, „die Continental in die Abhängigkeit von einem Wettbewerber zu zwingen“. Der Conti- Aufrichtsratsvorsitzende, der Deutsche-Bank-Vorständler Ulrich Weiss, wußte von einer unangenehmen Begegnung mit dem Pirelli-Chef Marco Tranchetti Provera am Vorabend zu berichten: Massiv habe der Vorstandsvorsitzende von Pirelli verlangt, den Widerstand gegen die Aufhebung des Höchststimmrechts aufzugeben — andernfalls müsse man sich einen anderen Vorsitzenden suchen.
Das „Höchststimmrecht“, jener Paragraph 20 der Conti-Satzung, nach dem auch die Besitzer von großen Aktienpaketen nur höchstens für fünf Prozent des Gesamtkapitals Stimmrechte ausüben dürfen, ist seit langem für die Machtverhältnisse beim drittgrößten Reifenhersteller der Welt entscheidend. Pirelli und das ihm verbundene Bankhaus „Mediobanca“ besitzen gemeinsam 38,5Prozent der Aktien des bundesdeutschen Konkurrenten. Längst wird der Kampf um den strittigen Paragraphen, der der Aktionärs-Minderheit das Sagen sichert, vor den Gerichten ausgetragen.
Den Beschluß der letzten Conti- Hauptversammlung, das Höchststimmrecht abzuschaffen, hatte Ende Mai das Landgericht Hannover in erster Instanz für nichtig erklärt. Pirelli hatte vor der Abstimmung über das Höchststimmrecht nicht offengelegt, daß er bereits über mehr als ein Viertel der Conti- Aktien verfügte. Über 20,4Prozent der Aktien hatte Pirelli damals mit befreundeten Unternehmen Pool-Verträge abgeschlossen und sich seinen Partnern gegenüber verplichtet, diese von Verlusten aus dem Besitz dieser Aktien freizustellen. Das Gericht sah in diesen Aktionären lediglich „Stimmvieh“ Pirellis.
Vor der gestrigen Hauptversammlung hatte nun zunächst die Conti eine neue Klage eingereicht. Mit ihr soll festgestellt werden, daß die 38,5Prozent von Pirelli und Mediobanca unter den Stimmbegrenzungparagraphen fallen und somit auf der Hauptversammlung nur ein Gewicht von fünf Prozent haben. Die Begrenzung, so machte Aufsichtsratsvorsitzender Weiss gleich einleitend klar, werde natürlich auch für die entscheidende Abstimmung über die von Pirelli beantragte Abschaffung des „Höchststimmrechts“ gelten.
Gegen diese Vorgehensweise des Versammlungsleiters hatte sich allerdings auch Pirelli schon im Vorfeld juristisch gewappnet: Der Chef von Pirelli Deutschland, Gert Silber-Bonz, kündigte postwendend eine Klage gegen diesen Abstimmungsmodus an. Sicher schien gestern mittag, daß die Conti- Hauptversammlung nicht die Abschaffung des Höchststimmrechts beschließen würde. Sicher war aber auch, daß Pirelli weiter vor Gericht um die Macht bei der Continental AG kämpfen wird. Jürgen Voges
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