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Prostitution im Hafen?

Die Frauen vom Drogenstrich Friesenstraße sollen nach einem gemeinsamen Plan von Innensenator van Nispen und Sozialsenatorin Gaertner ab Herbst im Waller Holzhafen oder in Woltmershausen im Hohentorshafen arbeiten. Mit im Angebot: Betreuung von 20 bis 2 Uhr sieben Tage in der Woche und niedrigschwelliger Einstieg in die Methadontherapie. Die Verlagerung soll die Drogenszene im Steintor entzerren. Die taz fragte die Prostituierten: Werden Sie dort arbeiten?

Bianca, 20 Jahre alt, arbeitet seit zwei Jahren auf dem Drogenstrich:

„Nein, würde ich nicht, auf keinen Fall. Da kommen die Freier nicht so hin, wie sie es hier tun. Ich kenne viele Freier, die haben gesagt, daß sie da keinen Bock drauf haben. Und wenn ein Mädel affig ist und der Freier sagt: 'Paß auf, ich geb' dir einen Zwanziger mehr, und wir fahren woanders hin', dann macht die das auch.“

Siggi, 27 Jahre alt, seit eineinhalb Jahren auf dem Drogenstrich:

„Ich bin keine Bremerin. Ich komme im Schnitt vier mal in der Woche hierher zur Friesenstraße. Hier habe ich einen kurzen Weg, hier kenne ich mich aus, hier kann ich mal für drei Mark ein warmes Essen bekommen. Wenn ich da nicht mehr strafverfolgt werde, würde ich dahin gehen. Allerdings wird es im Holzhafen mit den professionellen Damen Ärger geben, das ist jetzt schon klar. Das gibt Keilerei auf offener Straße. Die Drogenabhängigen werden denen die Preise verderben, die haben Zuhälter und so weiter. Ein Problem ist auch, daß wir praktisch 24 Stunden am Tag brauchen, nicht nur diese acht Stunden.“

Ina, 28, seit knapp zwei Jahren auf dem Drogenstrich:

„Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das ist viel zu abgelegen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir zum Beispiel in Walle neben den Professionellen überhaupt eine Chance hätten.“

Anonym, 19 Jahre alt, seit neun Monaten auf dem Drogenstrich:

„Das wäre mir zu weit, da hinzufahren jeden Tag. Wenn die Friesenstraße gesperrt wird, werden sich die Mädchen in die Humboldtstraße stellen. Einen Betreuungsbus haben wir hier doch auch. Den meisten geht es darum: Hier ist der Strich, da kann man die Drogen kaufen. Was soll ich machen, wenn es mir nicht gut geht? Da fahr' ich erst zum Hafen, dann mach' ich da einen Freier, und dann soll ich noch zurück? Das ist doch das Ding. Die beiden Morde, das ist doch vorbei. Siehst ja, die stehen alle noch hier.“

Anonym, 30 Jahre alt, seit sechs Wochen auf dem Drogenstrich:

„Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Hier ist es leichter für uns, weil das alles hier im Stadtbild integriert ist. Die Freier kommen nicht mehr, wenn es einen direkten Standort gibt, glaub ich. Wir haben keinen Vorteil davon.“

Gabi, 28, seit einem dreiviertel Jahr auf dem Drogenstrich:

“99,9 Prozent der Frauen werden nicht dort arbeiten. Nein. Es ist zu weit weg, im Holzhafen würden wir ständig von den Zuhältern auf die Schnauze kriegen. Wir wollen da nicht arbeiten. Den Betreuungsbus haben wir jetzt doch auch schon. Frag', wen du willst, die werden alle das gleiche sagen. Wir gehen hier nicht weg.“

Monika, 20, seit zwei Jahren auf dem Drogenstrich:

„Sicher sind wir doch nur hier, weil hier Menschen in der Nähe sind. Wer schützt uns denn da draußen? Im Woltmershauser Hafen ist überhaupt nichts los.“

Ines, 23 Jahre alt, seit drei Jahren auf dem Drogenstrich:

„Am Holzhafen läuft es doch total beschissen. Da stehen ganz andere Frauen. Wir sind eben drauf, die nicht, und da sind doch auch die Preise ganz anders. Das ist unser Untergang, wenn wir dahin gehen. Bis sich das bei den Freiern herumgesprochen hat, ist Ende bei uns. Ich brauch' jeden Tag 300 Mark, da muß ich, je nachdem, drei oder sechs Freier machen. Wie soll das weitergehen.“ Umfrage: mad

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